Finanzamt kurios
Es ist mir ein inneres Herzensbedürfnis, mal etwas Unterhaltsames aus der gestrengen Welt unserer Finanzverwaltung zu berichten. In habe nämlich in letzter Zeit einem getreuen Beamten — politisch korrekt Beamt_In*x — des Jenaer Finanzamtes so richtig Arbeit verursacht. Zum einen war ich säumig, was die Abgabe meiner Steuererklärung 2014 anbelangt. Aufgrund einer merkwürdigen Neigung zu Unwohlsein und Brechreiz übergebe ich diesen für einen gehorsamen Staatsbürger so sensiblen Vorgang regelmäßig einer Steuerberaterin. Mein Steueraufkommen hält sich überdies in überschaubaren Grenzen und lieber zahle ich das Honorar für die Steuerberaterin, als meine kostbare Zeit mit der lebenswichtigen Frage zu überschatten, welche Paragraphen wie bei mir anzuwenden sind, damit ich nicht gänzlich zum Opfer des gierigen Staatshaushalts werde. Nun schied meine Steuerberaterin wegen frischem Nachwuchs eine Zeit lang aus und ich selbst schob alles so geduldig auf die lange Bank, bis die erste Aufforderung des Finanzamtes eintraf. Zerknirscht ging ich in mich und überlegte, an welcher Stelle des Bundeshaushalts meine Steuern jetzt wohl fehlen würden — und vergaß es gleich wieder. Schließlich hatte ich die Jahre zuvor alles ordnungsgemäß eingereicht und zahlte auch meine Einkommenssteuervorauszahlungen pünktlich. Sicher konnte man in meinen Daten, die mittlerweile von der Schuhgröße bis zur Firefox-Chronik alles enthalten, sehen, dass ich ein kleiner Fisch war und mir ein bisschen Geduld entgegenbringen. Gleichzeitig schob ich meine Kontoauszüge, Einkaufsbelege und Einkommensnachweise zur Steuerberaterin hinüber, die jedoch leider überlastet war und wenig Zeit hatte. Geduld vom Finanzamt zu erwarten, ist nun ungefähr so vernünftig wie Alligatoren vegan ernähren zu wollen. Wahrscheinlich fehlte mein dreistelliger Steuerbetrag schon dringend für die Osterweiterung der NATO oder die Gehaltszahlung von Herrn Schulz in Brüssel. Irgend soetwas musste es jedenfalls sein, denn als nächstes flatterte mir die Androhung eines Strafgeldes in Höhe von 200 Euro ins Haus, verbunden mit einer Frist von einer Woche zur Abgabe meiner Erklärung. Puuuh, da kann einem unbescholtenen Bürger schon mal der Schweiß ausbrechen.
Waren nicht die Panama-Papers in aller Munde? Oder die Deutsche Bank mit ihrer bekannten kriminellen Energie? Oder Unternehmen wie Apple, Google, Starbucks oder Amazon, die geradezu lächerliche Steuersummen auf ihre riesigen Umsätze zahlen? War nicht vor einem halben Jahr veröffentlicht worden, dass der internationale Milliardenkonzern Facebook in Deutschland als "kleine Kapitalgesellschaft" gerade mal 220000 Euro Steuern gezahlt hatte? Und nun verschwendete ein teurer Staatsbediensteter tatsächlich seine kostbare Arbeitszeit, seine noch viel kostbareren Nerven und unendlich viel Papier auf mich kleines Würstchen? Ich setzte mich hin, verfasste einen freundlichen Brief, der mit einer Prise Sarkasmus gewürzt war und legte die Situation dar, warum ich immer noch säumiger Steuererklärungsabgeber war. Ich äußerte außerdem die Hoffnung, dass man die gleiche Vehemenz und unerbittliche Strenge auch in wirklich lohnenswerte Fälle investiert und nicht nur in harmlose Schusseligkeitstiger wie mich. Ooh! Eisiges bürokratisches Schweigen legte sich über Königsmund! Sogar über den letzten Stichtag hinaus, an dem ich wahrscheinlich — neben der Eintreibung der Strafe — auf dem Jenaer Markt an den Pranger gestellt und dem Gespött des Volkes preisgegeben worden wäre. Mir fiel ein Stein vom Herzen, als meine Steuerberaterin endlich den Erfolg ihrer Bemühungen verkündete und die Erklärung einreichte.
Allerdings hatte mein Unterbewusstsein bereits eine perfide Rache geplant. Eine Einkommenssteuervorauszahlung war demnächst fällig (1. Schreiben vom Finanzamt). Ich setzte mich an den PC, um meinen Ruf als schrecklicher Steuernichterklärer zu verbessern und pünktlich zu überweisen. Auf meinem Schreibtisch lagen allerdings zwei Rechnungen, obenauf eine für meinen letzten Einkauf bei whisky.de. Ein grausamer Scherz heidnischer Götter ließ die beiden Zahlungsbeträge sich nur um 40 Cent unterscheiden. Also übertrug ich vom Zahlschein der Whisky-Rechnung seelenruhig und nichtsahnend meine Kundennummer im Whisky-Shop ins Online-Überweisungsformular des Finanzamtes, außerdem noch die Rechnungsnummer und den Betrag und schickte es ab. Fünf Minuten später verfluchte ich mich, als unter dem gerade bearbeiteten Papier der eigentliche Zahlschein fürs Finanzamt auftauchte. Aber da die eben überwiesene Summe besagte 40 Cent über der fälligen Steuervorauszahlung lag, machte ich mir erstmal keine Sorgen. Wie sich zeigen sollte, lag meine Erwartungshaltung, dass man einen zwar falsch deklarierten, aber ausreichenden Betrag einer offenen Fälligkeit zuweisen könne, völlig daneben. Ein weiterer Brief traf ein (2. Schreiben), der mich darauf hinwies, dass man die eingegangene Zahlung nicht zuordnen könne. Ob der Kuriosität des Vorgangs warf ich ihn in den Papierkorb. Wenige Tage später schrieb mir das Finanzamt erneut (3. Schreiben), dass man jetzt die eingegangene Summe — einfach so! und ohne Anspruch auf Richtigkeit! — auf mein Einkommenssteuerkonto gebucht hätte. Na herzlichen Glückwunsch zu dieser reifen Leistung! Die 40 Cent zuviel wurden — aus Gründen, die nur das innerste Priesterkollegium der Finanzverwaltung kennt — auf den Solidaritätszuschlag gebucht. Wieder puuuh. DAS WAR JA GERADE NOCHMAL GUT GEGANGEN. Leicht hätte man mich genauso gut deswegen aufs Rad flechten oder vierteilen können!
Jetzt weiß ich allerdings, dass Steuerhinterzieher, Geldwäscher, Mafia, Bankster und andere Finanzkonsorten in diesem Land nicht die geringsten Sorgen haben müssen. Die Finanzbeamten sind bis über beide Ohren mit außerordentlich wichtigen Vorgängen beschäftigt und wahrscheinlich hoffnungslos von furchtbaren Leuten wie mir in Beschlag genommen. Da bleibt für anderes ganz sicher keine Zeit mehr. Ich glaube, so etwas nennt man effiziente Verwaltung. Oder wie auch immer.
One thought on “Finanzamt kurios”
Wenn Du nun noch ein wenig mehr Spaß mit dem FA haben willst, schicke dem Finanzamt einfach eine Umbuchungsmitteilung (im selben Format, wie sie das üblicherweise verfassen) und buche 20 der 40 Cent auf die ESt-VZ und die restlichen 20 Cent auf künftig anfallende USt um.
Die Chancen stehen dann gut, künftig von Strafgeld-Androhungen befreit zu sein.