
Portes mallorquines
(William Blake)
Im Nordwesten von Mallorca liegt die Serra de Tramuntana, eine der sechs Landschaftsregionen (comarques) der Insel, durch die sich der gleichnamige, etwa 90 km lange Gebirgszug erstreckt. Imposante Bergkulissen, atemberaubende Ausblicke aufs Meer, Oliven‑, Orangen- und Zitronenhaine, schmale Pfade und abgelegene Fincas verzaubern den Besucher. Doch wer die historische, geheimnisvoll anmutende Atmosphäre dieser Region abseits der Touristenstrände wahrnehmen möchte, muss die alten Städtchen und Dörfer erkunden. Durch Sóller, Deia, Valdemossa oder Fornalutx zu streifen, beschenkt mit der Wahrnehmung einer Schönheit, die man schon längst verlorengegangen glaubte. Dabei besitzen die alten Häuser mit ihren geschickt gefügten Mauern aus behauenem Kalkstein fast etwas Abweisendes. Die Läden der kleinen Fenster sind geschlossen, das Leben der einheimischen Bewohner bleibt verborgen, manche mögen gar verlassen sein oder leer stehen. Es gibt keine Weite und keinen Raum, die Mauern stehen eng in den kleinen Straßen und Gassen, auf denen man außer den fotografierenden Touristen selten jemanden antrifft. Töpfe mit exotischen Pflanzen bilden das einzige Grün, nicht selten fehlt dieses auch und es bleibt nur der rauhe Stein, über den die Winde von Jahrhunderten hinweggestrichen sind.
Die spröde Schönheit ergreift denjenigen, der bereit ist mehr zu sehen, intensiver wahrzunehmen, als es für ein paar Urlaubsfotos als Erinnerung erforderlich ist. Vielleicht braucht es dafür die Empfindung einer schmerzlichen Sehnsucht — nach Ruhe, Einsamkeit, Einfachheit und Abgeschiedenheit. Die Welt streift durch diese Gassen, aber sie verändert sie nicht und berührt sie kaum. Im Gegensatz zu den verschlossenen Fensterläden sind die hölzernen Eingangstüren merkwürdigerweise oft halb geöffnet. Dahinter ein anziehendes Dunkel, ein schattiger Hof vielleicht oder ein kleines enges Atrium, vollgestellt mit sentimentalen Gegenständen, Bilder, Keramik, alte Möbel, Pflanzen. In den Tiefen eines Hauses eine alte Frau, die unbeweglich auf einem verschlissenen Sofa sitzt. Ist es ein Blick in eine ferne Zeit, ist es eine Einladung an Vorübergehende? Oder nur eine unbestimmte Ahnung eines Lebens, das man nicht teilen kann?
An den Türen antik anmutende Knaufe und Türklopfer, aber nur ganz selten eine Klingel. Das kunstvolle Detail zieht den Blick an. Das Nichtfunktionale inspiriert die Vorstellung. In seiner bloßen Existenz offenbart es die Hässlichkeit der Moderne, in der das Überflüssige, Verschnörkelte und Schöne keinen Platz mehr hat. Wer eintreten oder sich bemerkbar machen will, müsste diese Türklopfer betätigen. Das Anschlagen würde in der Gasse widerhallen. Die Finger berühren geschwungene Strukturen, kleine Figuren, in Metall gegossene Bügel, Hände, Löwenköpfe.
Kleinode als Ausdruck eines gestalterischen Willens, die Schwere des Lebens durch Schönheit zu besänftigen.
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Titelfoto und Fotogallerie © F. Cebulla 2022