
Zahlen oder gehen!
Die "touristisch aufgewertete" Leuchtenburg
Seit fast 800 Jahren thront die Leuchtenburg hoch über dem kleinen thüringischen Städtchen Kahla und macht ihrem Namen alle Ehre. Ihre lange Geschichte hat die Burg nicht unangetastet gelassen. Belagerungen, Brände, Erstürmung durch die Wettiner, Zufluchtsort, Verwaltungs- und Gerichtsmittelpunkt, Umbau in ein Zucht‑, Armen- und Irrenhaus, erste Jugendherberge Thüringens, Treffpunkt von Freigeistern und Liebhabern der Freikörperkultur, touristisches Ausflugsziel und beliebter Ort für Mittelalterfeste. Nach der Wende wurde zudem bekannt, dass die Burg im Falle von Aufständen in der damaligen DDR als Internierungslager für Regimegegner dienen sollte.
Vielleicht ist es kein Zufall, dass auf der Internetseite der Stadt Kahla die Geschichte der Burg mit dem Jahre 1969 endet und die dort präsentierte Fotoschau die Umbauten der letzten Zeit beharrlich ignoriert. 2007 nämlich wurde die Burg an die neu gegründete Stiftung Leuchtenburg verkauft und damit privatisiert. Die vielen überschwänglichen Beteuerungen eines guten Zwecks und die Betonung der Gemeinnützigkeit der Stiftung können nicht darüber hinwegtäuschen, dass damit ein weiteres wertvolles Stück Gemein- (früher Volks-)eigentum in private Hände gewandert ist. Während vor dem Verkauf jahrzehntelang kein müder Euro für einen grundlegenden Erhalt oder gar eine Sanierung der Burganlage zur Verfügung stand und die Burg mehr oder weniger ungenutzt langsam verfiel, floß nach dem Verkauf — oh Wunder! — das Geld in rauhen Mengen. Elf Millionen Euro wurden in ein Umbauprojekt investiert, davon allein 9 Millionen aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" (GRW) des Thüringer Wirtschaftsministeriums. Weitere 2,2 Millionen Euro stellte das Ministerium für die Ausstattung der Porzellanwelten-Ausstellung zur Verfügung. Ja, wenn Geld des Steuerzahlers ungehindert in private Taschen rauschen kann, gibt es da kein Halten, wo früher nicht mal ein Notgroschen aufzutreiben war. Das Ganze nennt man dann "Modernisierung" und "touristische Aufwertung" und lobt es in den allerhöchsten Tönen. Schließlich gibt es sogar eine "Landestourismuskonzeption 2011–2015". Ob man dieser Konzeption folgend noch weitere historische Kleinode Thüringens verschleudert, wäre eine interessante Fragestellung. In einem Artikel der "Welt" heißt es schon 2005, dass Thüringen bereits die Hälfte seiner Kultur-Immobilien privatisiert hat. Ausverkauf des Kulturerbes. Natürlich nur zum Besten der schutzwürdigen Güter, denn der Staat hat für solche Nebensächlichkeiten kein Geld und ist froh, wenn er den Kram loswird.
Vor etlichen Jahren habe ich selbst eine Zeit lang in Kahla gewohnt und bin in regelmäßigen Abständen hinauf zur Leuchtenburg gestiegen, um die Aussicht und das eine oder andere Bier in der Burgschänke zu genießen. Man konnte einen Blick in den Burgbrunnen werfen, kletterte auf den Burgfried oder stand ehrfürchtig auf den Mauern, um den Blick über das schöne thüringische Land schweifen zu lassen. Am letzten Wochenende nun hatte ich nach einigen Jahren der Abwesenheit Gelegenheit, mich davon zu überzeugen, was "Aufwertung" bedeutet. Wie üblich haben sich Architekten gegenseitig darin übertroffen, ein historisches Bauwerk möglichst unumkehrbar zu verschandeln. Hässlich ist gar kein Ausdruck. Vor dem Torhaus ein containerartiges, grauschwarzes Gebäude, in dem man Tickets kaufen und weitere Euro für Kaffee, Gebäck und touristischen Schnickschnack lassen kann. Die Bude nennt sich Besucherzentrum und ist — wie man lesen kann — ein Ausbund an Nachhaltigkeit, weil mit "Brettschichtholz" gebaut. Na dann muss es ja toll sein. Die vielen Millionen haben die eigentlichen historischen Gebäude der Burg knapp verfehlt und flossen stattdessen in grauschwarze Ungetüme, die an die Gemäuer geklatscht wurden. Natürlich gewann der bleifarbene Bunker irgendeinen Preis. Warum sollte auch eine Burg einfach nur eine Burg bleiben, wo es doch so schöne Möglichkeiten gibt, alles durch den Reißwolf des modernen Blicks zu drehen und den eigenen Ego-Spielen zu unterwerfen. So, als hätten frühere Besucher dort überhaupt nichts erlebt, gibt es jetzt ganze Erlebniswelten zu entdecken, allerdings nur wenn man genug Kohle einstecken hat. Und da sind wir beim Pudels Kern angelangt, dem Kommerz.
Wer nämlich mit der naiven Vorstellung die Burg besucht, er könnte auch nur den Innenhof betreten, findet sich schon am Torhaus mit einer Schranke konfrontiert. Der Eintritt kostet 12 Euro für einen Erwachsenen. Für Studenten, Schwerbeschädigte und Arbeitslose hat man sich wahrscheinlich unter allergrößten Schmerzen von einem Euro Einnahmen getrennt — ermässigt muss man 11 Euro blechen. Dann gibt es noch eine Familienkarte für 30 Euro. Dazu kommen 2 Euro Parkgebühren und weitere Ausgaben, wenn man etwas essen oder trinken will. Ist man in Familie oder mit Freunden unterwegs, kostet der Spass schnell ein erkleckliches Sümmchen. Die über jeden grünen Klee gelobte Burgschänke liegt innerhalb der Kommerzschranke. Ähm, muss ich jetzt tatsächlich, um dort ein Bier trinken zu dürfen, vollen Eintritt zahlen? Die Antwort der Dame am Ticketschalter ist eindeutig: ja. Das treibt den halben Liter irgendeiner Plärre, die den Namen Bier nicht verdient, auf ca. 15 Euro. Da kann selbst ein Luxushotel am Kurfürstendamm nicht mithalten. Nichts für Unterprivilegierte und die römisch Dekadenten in der sozialen Hängematte, die durch das Raster der Leistungsgesellschaft gefallen sind. Das freut das gehobene Kulturbürgertum, der asoziale Pöbel, der vor seinen Kindern nicht einfach mal so mit gönnerhafter Geste einen Fünfziger aus der Börse ziehen kann, kommt gar nicht erst rein. Hier brauchst du Knete oder kannst wieder abziehen. So wie wir tun das in der Tat sehr viele Leute, das kann man schnell beobachten. Eine ganze Gemeinschaft von Motorbikern (ca. 30 Leute) steht etwas ratlos vor der grauen Schachtel, macht ein bisschen Pause und fährt wieder von dannen. Leute marschieren schnurstracks auf das Torhaus zu, bleiben abrupt stehen, drehen sich hilflos und desillusioniert im Kreis, fragen im Besucherzentrum nach — und gehen wieder. Kultur ist nicht für alle da. Geschichte auch nicht. Ein historisch bedeutsamer Ort, der zur Ware transformiert wurde und aus dem man jetzt möglichst viel Gewinn herauspressen will. Volksbildung gab es nur in der DDR für ein paar Mark, heute muss sich alles rechnen und Investoren Profit versprechen.
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Wer sich — vorab oder im nachhinein — im Internet informiert, stößt auf tourismusindustriellen Neusprech und überschwängliche Übertreibungen jedweder Art. Je unsinniger umso besser. Natürlich ist der ganze Ramsch unglaublich toll und dient lediglich der Erhaltung der Burg, die sonst schlechterdings vergammelt wäre. Nur was man verkaufen kann, ist erhaltenswert. Alles andere geht halt zugrunde. Logik des Kapitalismus. Der komische stählerne Kranausleger, den man an eine Seite der Burg montiert hat, ist ein"Skywalk" und heißt "Steg der Wünsche". Man darf dort Porzellan herunterwerfen und zugucken, wie es zerschellt. Wenn man seinen Eintritt bezahlt hat, versteht sich. "Der Skywalk ist auf der Nordseite der Burg zu begehen", heißt es in einer Pressemeldung. Nein, er ist nur durch das Museum zu begehen, d.h. wenn man vorher bezahlt hat. Von dort hat man selbstredend einen "unvergleichlichen Ausblick". Den hatte man auch früher einfach von den Mauern, aber kostenlos. "Hochmodern", "einmalig", "spektakulär" sind die geringsten der Vokabeln, die einem um die Ohren gehauen werden. "'Mit dem Skywalk stellen wir uns einer besonderen architektonischen Herausforderung und wagen eine unkonventionelle Auseinandersetzung mit dem Erlebnis einer Höhenburg', erläutert Sven-Erik Hitzer, Vorstand der Stiftung Leuchtenburg" in einem Artikel auf Jenapolis. Erläutern würde ich das nicht nennen, eher zusammenspinnen. Und das Bistro im Besucherzentrum bietet ein "Landschaftskino", sprich ein Fenster, aus dem man hinausgucken kann. Natürlich kann man auch draussen stehen und gucken, aber dann kauft man vielleicht nichts. Kein guter Zustand, einfach so in der Natur herumzustehen und nichts zu konsumieren. Man muss immer irgendetwas kaufen, sonst ist man kein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft. Diese Wertlosen werden in Zukunft wohl eher draußen bleiben. Kein Verlust für die smarten Kulturmanager, Event-Erfinder, Stiftungsgründer und Fördermitteleinwerber. Wohl aber ein Verlust für die Gesellschaft, weil man ganzen Bevölkerungsteilen die sinnstiftende Auseinandersetzung mit den eigenen Wurzeln und der regionalen Geschichte verwehrt. Aber wer denkt darüber heute noch nach? Hauptsache, der Rubel rollt.
Meine weibliche Begleitung brachte es an diesem Tag auf den Punkt: Hier braucht man nicht mehr herkommen.
siehe auch:
- Porzellanwelten auf Leuchtenburg vor der Eröffnung (Kommentare lesen!)
7 thoughts on “Zahlen oder gehen!”
Eine persönliche Bemerkung von mir:
Der Skywalk oder Himmelsweg (übersetzt) auch als Steg der Wünsche genannt, ist in meinen Augen der größte Humbug der auf der Burg entwickelt wurde und grenzt an bodenloser Dummheit und Geschmacklosigkeit. ~~~ Willkommen im 21.Jahrhundert ~~~. Im Übrigen wie wäre es, wenn man den Ablasshandel (15.–16. Jahrhundert) auf der Burg oder in der Burgkapelle wieder einführen würde, vielleicht ein neuer touristischer Plan für das Jahr 2016.
Die Leuchtenburg gehörte damals wie heute nicht zu Kahla sondern zu Seitenroda.
Daher kann und konnte die Stadt Kahla die Burg damals nicht renovieren.
Denn eine Mittelanmeldung wäre aus oben genannten Gründen nämlich nicht möglich gewesen.
Kahla selbst schwimmt nicht gerade in Geld, hat eher selbst schulden und kann und konnte daher nicht helfen die Burg ordentlich zu Renovieren.
In meinen Augen hat hier eindeutig ein Amt geschlampt. Wie kann ich eine so naheliegende Stadt von der Burg ausschließen? Die Leuchtenburg solllte eher zu Kahla gehören. Ja, denn auch uns Kahlaern liegt die Burg sehr am Herzen. Und das ein Dorf wie Seitenroda mit ca. 300 Einwohnern die Renovierung einer Burg nicht stemmen kann sollte doch jedem klar sein.
Bei den neuen Anbauten insbesondere des großen Block's auf dem Hof stimme ich Ihnen zu.
Häßlich umschreibt es wohl am besten.
Leider sind mit diesen umbauten auch nahezu alle alten Ausstellungsstücke verschwunden.
Mit einer historischen Burg hat dies nichts mehr zu tun.
Ja selbst das zuletzt noch verfügbare Ritterzimmer soll jetzt "entrümpelt" und zur Kirche umgebaut werden.
Auch ist mir sonst keine Burg bekannt wo man schon am Tor derart zur Kasse gebeten wird.
Selbst ich als Kahlaer finde dies eine frechheit.
Aber es kommt ja noch besser ...
... angeblich soll ja noch ein Lift vom Parkplatz zur Burg gebaut werden!
Meine persönliche Meinung dazu:
Spart die Millionen Steuergelder und lasst es!
Denn der Lift kostet wahrscheinlich extra Gebühren (nutzt dann kaum jemand).
Da man ja in ca. 10 Minuten auch hoch gelaufen ist. Wir wollen Wandern zur Burg!
Weiterhin verursacht so ein Lift ständige hohe Wartungskosten (euere Steuergelder).
Spätestens der Lift wäre ein Fall für "Mario Barth deckt auf".
Hallo @Heinz, danke für Ihren umfangreichen Kommentar. Der Artikel ist seinerzeit auch auf Jenapolis veröffentlicht worden und hat dort eine umfangreiche Diskussion hervorgerufen (84 Kommentare!). Veröffentlichen Sie doch dort Ihren Kommentar auch noch, da findet er noch zusätzliche Leser und Beachtung:
http://www.jenapolis.de/2015/04/30/eintritt-zahlen-oder-gehen/
Den ganzen Mist einfach wieder abreissen...!