Auf Wiedersehen, Twitter.
Dieser Blogpost richtet sich vor allem an meine Follower auf Twitter. Ich werde mich in Kürze als reale Person aus diesem sozialen Netzwerk verabschieden und möchte das nicht sang- und klanglos tun, sondern die Gründe dafür darlegen.
Im Mai 2011 habe ich mich im Zuge meiner damaligen politischen Aktivitäten innerhalb der Piratenpartei auf Twitter angemeldet. Ging es am Anfang nur um die Vernetzung mit politischen Mitstreitern und Organisationsstrukturen, sammelte sich im Laufe der Jahre um meine Twitteraktivitäten eine wilde Mischung aus den verschiedensten Interessen, Personen, Diskussionsschwerpunkten und Themen. Meine eigenen Meinungen und Standpunkte öffentlich zu machen, wurde auch nach meinem Austritt bei den Piraten zu einem wichtigen Teil meines Lebens und gewann durch viele neue Kontakte und interessante Menschen, die als meine Follower ihr eigenes Universum beitrugen, an Wert. Seit meinen ersten schüchternen Versuchen auf Twitter habe ich mehr als 55.500 Tweets verfasst, kommentiert oder weitergeleitet und ich bin auch ein bisschen stolz darauf, dass mittlerweile 1112 Menschen mit dem, was ich beizutragen habe, verbunden bleiben wollen. Dabei war es für mich immer selbstverständlich, als der aufzutreten, der ich bin — unter meinem realen Namen, mit Ehrlichkeit und ohne irgendeine besondere Rolle spielen zu wollen. Es ist schwer und auch traurig mir einzugestehen, dass es damit so nicht weitergehen kann.
Am 17. November begann ich damit, auf Twitter einige Informationen und Hinweise auf eine für den darauffolgenden Samstag in Jena geplante Demonstration "Gegen jede Diskriminierung! 2G und 3G stoppen! Gleiches Recht für alle!", die von der Partei "Die Basis" organisiert wurde, zu verbreiten. Durch meine kommunalpolitische Arbeit in der Vergangenheit als auch meine berufliche Tätigkeit bin ich in Jena nicht gänzlich unbekannt. Vielleicht war dies einer der Gründe, warum ich mit meinem öffentlichen Demo-Aufruf plötzlich ins Fadenkreuz hasserfüllter Angriffe geriet. In den folgenden Tagen wurde ich auf Twitter auf das Heftigste angegangen, beleidigt und beschimpft. Es stellte sich schnell heraus, dass es hier nicht um den üblichen Biss zwischen verschiedenen Filterblasen ging, für den Twitter mittlerweile leider berüchtigt ist und der durchaus auch mal Schärfe besitzt. Das Ziel war ganz klar die Verleumdung und Herabsetzung meiner Person. Man drohte mir, "meine Fresse" zu kennen und dass es ein Spaß sein würde, mir bei der Demo über den Weg zu laufen. Ich wurde als Abschaum, Faschist und Nazi tituliert, logischerweise auch als Coronaleugner, sogar als Antisemit. Letzteres ist für jemanden, der viele Jahre seines Lebens mit dem Studium jüdischer Mystik verbracht hat, mehr als nur absurd. Jeder, der meine in vielen Tweets geäußerten Überzeugungen kennt, weiß, dass ich unablässig vor totalitären Tendenzen in der Gesellschaft warne, wie wichtig mir individuelle und politische Freiheit ist und dass die finstersten Kapitel der deutschen Geschichte im Hinblick auf aktuell zu beobachtende Entwicklungen in diesem Land meiner Meinung nach unbedingt Mahnung und Abschreckung sein müss(t)en.
Die Angriffe gingen von einer mir nicht bekannten Person aus, die hinter dem Account @MarcGebauer3 agiert, aber auch von einer Reihe anderer Accounts, alle neu angemeldet und mit 0 Followern. Ich tat das, was man auf Twitter in so einem Fall macht, ich blockte den Mist weg. Die nächste Eskalationsstufe bestand darin, dass Accounts mit meinem Foto und meinem Namen auftauchten, von denen aus die Angriffe weitergingen. Ich meldete den Identitätsdiebstahl an Twitter, das diese Fake-Accounts schließlich löschte. Der Höhepunkt der Kampagne gegen meine Person bestand darin, dass sich besagter Marc Gebauer per E‑Mail an meinen Arbeitgeber, weitere Personen in meinem beruflichen Umfeld und an ein Tochterunternehmen meines Arbeitgebers wandte, sich darin als Arzt ausgab und vor meiner Person warnte. In diesen Mails wurden einige Tweets von mir verlinkt, die nicht so recht zu den geäußerten Anschuldigungen passen wollten. Aber natürlich hatte das alles sowieso weder Hand noch Fuß, das Ganze zielte auf eine möglichst umfassende persönliche Diskreditierung und den Versuch, mir sozial und beruflich zu schaden. Ich erstattete daraufhin Strafanzeige gegen Unbekannt.
Dass all das gerade jetzt passiert, ist kein Zufall. Nicht wegen irgendeiner eingebildeten Verschwörung, sondern weil sich die ganze Gesellschaft auf eine Art und Weise verändert, die noch vor wenigen Jahren undenkbar erschienen wäre. Für jemanden wie mich, der in der DDR aufgewachsen ist, schrillen schon seit längerem sämtliche Alarmglocken. Die rasante Abwärtsspirale in diesem Land wird angetrieben von einem grauenvollen ideologischen Kollektivismus, in dem wieder nur die eine, richtige Haltung zählt und auf alles eingeprügelt wird, was von der vorgegebenen Linie abweicht. Was früher die Klassenfeinde in der Diktatur des Proletariats waren, sind jetzt die Gegner der Corona-Maßnahmen und die Ungeimpften in der schönen neuen Hygiene-Diktatur, die unverständlicherweise da weiter auf ihren Grundrechten bestehen, wo nur noch Unterordnung unter die propagandistischen Narrative eines extrem übergriffigen Staates gefordert wird. Wie im Mittelalter gibt es auf einmal wieder diese alleinseligmachenden Wahrheiten, die nicht in Frage gestellt werden dürfen. Alle, die das tun, werden zu Leugnern, nicht zufällig ein religiöser Begriff. Wenn du das nicht gehorsam frisst, was dir täglich von früh bis abends vorgesetzt wird, bist du jetzt rechts, ein Nazi, ein Rassist, ein Corona- oder Klimaleugner, ein Querdenker, ein Abtrünniger und Aussätziger, der die Segnungen der schönen neuen Welt ablehnt und daher gnadenlos bekämpft und ausgegrenzt werden muss. Und wie in jeder anderen Diktatur auch reicht es nicht aus, nicht zu leugnen, du musst auch bekennen, dir Mühe geben, dazu zu gehören. Schaut in eure persönliche Umgebung und überlegt, wer jetzt auf einmal alles lauthals verkündet, geimpft zu sein. Menschen bleiben Menschen; es sind immer die gleichen psychologischen Mechanismen, die greifen — und die ausgenutzt werden.
Noch nie hat es einen Sinn ergeben, den Helden oder Märtyrer spielen zu wollen. Ich habe eine Frau, Familie, Kinder, Enkel, die ich liebe und für die ich Verantwortung trage. Ich habe wenige enge Freunde, denen ich mich sehr verbunden fühle. Ich habe eine Arbeit, die mir wichtig ist. Wie damals in der DDR muss man jetzt auch wieder genau überlegen, was man sagt, was man tut, wie man auftritt. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass diese Zeiten einmal wieder kommen, aber jetzt sind sie da. Es ist noch nicht lange her, da hab ich immer gedacht, meine größte Herausforderung besteht noch darin, einigermaßen stressfrei meinen Ruhestand zu erreichen, noch ein paar Bücher zu schreiben und dann ins Nirwana zu wechseln. Jetzt denke ich ernsthaft darüber nach, Deutschland zu verlassen. Oder ob es mir in Zukunft noch möglich ist, meinen Job auszuüben und wenigstens meine Brötchen zu verdienen. Oder über die Optionen, die ich noch habe, wenn es hart auf hart kommt. Nein, einfach so werde ich nicht klein beigeben, erstrecht nicht vor solchen verachtenswerten Subjekten wie jenen, die mir gerade versuchen, das Leben schwer zu machen. Aus mir wird auch kein Mitläufer werden, kein Schweigender und guter Untertan. Und wenn meine Würde als Mensch verloren zu gehen droht, bin ich bereit die nötigen Konsequenzen zu tragen. Das klingt ein bisschen pathetisch, aber letztendlich wird in der nächsten Zeit jeder genau vor dieser Entscheidung stehen.
Ich werde in ein paar Tagen meinen Twitter-Account löschen. Vielleicht komme ich ja wieder, Twitter hat ja was von einer Droge, aber dann nicht mehr mit meinem realen Namen. Ich danke allen, die mir gefolgt sind und sich mit mir ausgetauscht haben. Ich bedanke mich für all die wichtigen und interessanten Denkanstöße, Informationen, Verweise, Empfehlungen, Diskussionen und Gedanken, die mich sehr oft bereichert haben. Auch für das Skurrile, Witzige, Nebensächliche, Pointierte, für diese schönen Portionen an Sarkasmus und Zynismus, die einem helfen, in schwierigen Zeiten nicht ganz durchzudrehen. Im krassen Gegensatz zu dem propagandistischen und volksverhetzenden Dreck, der von gleichgeschalteten Medien jeden Tag von früh bis abends über die Köpfe der Menschen ausgekippt wird, kann man all dem nicht genug Wert beimessen. Bestimmt werden wir uns in anderer Gestalt irgendwann wieder begegnen, auf Twitter oder einer anderen Plattform oder gar im realen Leben. Natürlich auch hier im Blog. Bleibt unbequem und widerspenstig. Ich bleibe es auch.
Mein Twitter-Motto lautete: Freiheit ist etwas, das verteidigt werden muss.
15 thoughts on “Auf Wiedersehen, Twitter.”
„Mit 90 % aller Menschen nicht übereinzustimmen, ist eines der wichtigsten Anzeichen für geistige Gesundheit.“
— Oscar Wilde
…und so doch einen weiteren tiefgründigen Blog gefunden.
Danke.
Mit herzlichen Grüssen aus der Schweiz, wo Dir und Deiner Familie leider auch kein Zufluchtsort für Freiheit oder wenigstens Meinungsfreiheit mehr angeboten werden kann.
Einziger Ausweg ist wohl im Innern zu finden, wenn auch dort sich eigene Abgründe auftun, so kann doch nach dem läuterndem Niedergang wieder gestärkt hochgestiegen werden…
Lieber Frank,
es tut mir sehr leid, was Ihnen geschieht. Die Auswüchse im Internet besonders bei twitter und in der Gesellschaft generell sind verheerend und menschenverachtend und sie haben mit Demokratie nichts zu tun. Auch wenn ich eine andere Meinung zu den Coronamassnahmen habe als Sie.
Ich missbillige, was Sie sagen, aber ich werde bis zum Tod Ihr Recht verteidigen, es zu sagen!
Evelyn Beatrice Hall
Das ist meine Lebensauffassung und Meinung zur Freiheit!
Ich wünsche Ihnen viel Kraft von ganzem Herzen!
Liebe Grüße
Irene
Alles sehr traurig hierzulande.
Zu Ihrem DDR-Vergleich möchte ich doch aber eines hinzufügen: die DDR war in der Öffentlichkeit sehr nervig und nicht weniges ist inzwischen vergleichbar. Aber: zuhause wurde man (großteils) in Ruhe gelassen, wenn man nicht gerade Westfernsehen auf Lautstärke 1000 gesehen hat. Daß Kindergeburtstage aufgelöst werden oder es eine generelle Ausgangssperre gibt: das gab es in der DDR so nicht. Zuhause hatte man weitgehend seine Ruhe. Das ist jetzt deutlich anders. Und bei aller staatlicher Propaganda haben die Menschen sich auch "unter der Hand" geholfen und zwar praktisch jeder jedem. Das war Solidarität. Ob in der DDR auch nur ansatzsweise so viele Menschen auf Weihnachtsmärkte nur für "Nichtklassenfeinde" gegangen wären? Ich bezweifle es sehr stark. Auch das ist heute vollkommen anders.
Ihnen dennoch alles Gute. Versuchen wir alle, am Wahnsinn nicht zu verzweifeln, auch wenn die Kapazitäten langsam erschöpft scheinen.
Lieber Frank,
sehe es als Chance. Abstand zur Hassmaschine Twitter ist sehr gesund. Raus aus der Bubble und sich wieder mit anderen Standpunkten auseinander setzten. Ich weiß du bist kein Dummer. Freut mich auf jeden Fall, ich habe Hoffnung. Mach ein bisschen Twitter Detox, ist eh darauf ausgerichtet dich möglichst lange auf der Plattform zu halten und dich, wie du selbst bemerkst, süchtig machen soll.
Alles Gute