"Es hat bereits begonnen..."
In der Vorstellung seines Antrags zur Begrenzung von Spenden auf dem Bundesparteitag in Offenbach wies der Bundesgeneralsekretär Wilm Schumacher mit den Worten "Es hat bereits begonnen...!" auf die Gefahr von Bestechlichkeit und finanzieller Einflussnahme auf die Partei hin. Sein leidenschaftlicher Appell nützte leider nicht besonders viel. Die anwesenden Piraten konnten sich noch nicht einmal auf das Niveau der Empfehlung von Transparency International in Höhe von 50000 Euro pro Spender und Jahr einigen. Im nachhinein erscheint mir das geradezu unglaublich. Ein bißchen Blabla des Bundesschatzmeisters, dass es doch schon eine Empfehlung im Wiki dazu gäbe und eine Änderung der Satzung nicht notwendig wäre, reichte aus, die Kämpfer für Freiheit und politische Unabhängigkeit einknicken zu lassen. Diese schwache Entscheidung des Parteitags war im übrigen der leibhaftige Gegenbeweis zur These einiger Diskussionsteilnehmer, eine solche Beschränkung wäre schon deswegen überflüssig, weil Piraten alles anders, neu und besser machen und daher quasi per se unbestechlich wären. Die Wirklichkeit sieht wohl etwas unromantischer aus. Bei fortdauerndem Erfolg der Piraten sind 5- oder 6‑stellige Summen aus der Wirtschaft nur eine Frage der Zeit und man wollte sich den "Geldsegen" nicht verbauen. Diese Begehrlichkeiten sind kein nebensächlicher und verzeihlicher Fail, sondern ein sehr bedenkliches Signal, das uns im Zweifelsfall unsere Glaubwürdigkeit kostet. Man könnte es noch drastischer formulieren und behaupten, mit der Ablehnung des Antrags auf Begrenzung von Spenden haben wir unbewußt eine Einladung ausgeprochen, dass unsere Glaubwürdigkeit käuflich und nur eine Frage der Summe ist.
Das, was bereits begonnen hat und in Offenbach an einigen Stellen unübersehbar an die Oberfläche drängte, ist die Tatsache, dass wir wie in einem unaufhaltsamen Sog von der bestehenden, durch und durch verkommenen Parteien-Pseudodemokratie aufgesogen werden und auf dem besten Wege sind genauso zu werden wie alle anderen. Diese Gefahr ist nicht neu und erstrecht nicht gering, hat sie doch vor uns bereits eine Partei wie die Grünen zur Strecke gebracht. Umso mehr muss es verwundern, wie wenig Sensibilität die Piraten dieser Entwicklung gegenüber aufbringen. Stattdessen sonnt man sich in vermeintlicher — wohl angeborener — moralischer Integrität, als hätte es in der Menschheitsgeschichte zuvor nie Revolutionäre gegeben, die mit hohen Idealen angetreten waren, nur um diese in jenem Moment zu verraten, in dem sie Macht bekamen. Ist das die menschliche Natur, politische Naivität oder gar Infantilität? Es ist auf jeden Fall in meinen Augen eine Katastrophe.
Da hinein passt auch ein in Offenbach erfundenes Rezept, Anträge vom Parteitag annehmen zu lassen, indem man eine häßliche Kröte nimmt, sie in buntes Seidenpapier einwickelt, auf dieses Papier irgendetwas von Freiheit schreibt und sie den nur oberflächlich hinschauenden Mitgliedern zu schlucken gibt. Gut macht sich, bei der Vorstellung eines solchen Krötenantrags etwas von "Zwang" oder gar "Zwangsmitgliedschaft" zu faseln und schon schreit der freiheitsliebende Piratenindividualist gequält auf und stimmt freudig für eine programmatische Forderung, die er bei näherer Betrachtung niemals hätte annehmen dürfen. Die Rede ist vom Programmantrag PA188 "Abschaffung der Zwangsmitgliedschaft in Kammern und Verbänden". Auch wenn man im letzten Augenblick wenigstens noch die Anwalts‑, Notar- und Ärztekammern als Ausnahme definierte (und dabei Apothekerkammern, Psychotherapeutenkammern und Architektenkammern vergaß), ist diese Entscheidung die zweite Katastrophe des Offenbacher Parteitags. Warum das so ist, läßt sich nicht in einem Satz beantworten. Man muss etwas weiter ausholen.
In Deutschland gibt es derzeit 80 regionale Industrie- und Handelskammern. Hinzu kommen die Handwerkskammern, Dutzende von Berufs- und Branchenverbänden und 120 Deutsche Auslandshandelskammern, die insbesondere die außenwirtschaftlichen Verhältnisse und Beziehungen der deutschen Unternehmen organisieren und fördern. Je nach Berufsstand gibt es in Verbänden oft keine Pflichtmitgliedschaft, während Unternehmen und bestimmte Berufsstände in den Kammern per Gesetz Mitglied sind und zu Mitgliedsbeiträgen verpflichtet werden. Zudem wären noch die gewerblichen und landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften, die als Körperschaften öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung mehrere Millionen Unternehmen als Sozialversicherungsträger beherbergen, zu berücksichtigen. Daran sieht man schon, dass das Thema etwas komplexer ist und einer genaueren Aufbereitung bedarf.
Es stimmt und ist absolut berechtigt, dass die Kammern in den letzten Jahren stark in die Kritik geraten sind. Dabei wurden vor allem die Wahlordnungen und ungenügenden demokratischen Prinzipien, Mißwirtschaft, ausufernde Verwaltung, die Pflichtbeiträge, hohe Rücklagen und Pensionszusagen für leitende Angestellte, die selbständige Ausweitung der Aufgaben, die oft fehlende Transparenz und kostenintensive Veranstaltungen, Ehrungen und Preise als problematisch angesehen. Die Mitgliedsbeiträge sind nach Ertrag gestaffelt und betragen z.B. bei einem Gewinn von 10000 Euro ca. 1 — 2 % p.a. Höhere Erträge führen auch zu relativ höheren Beiträgen. Es gibt verschiedene Befreiungen und Ermäßigungen, z.B. für Existenzgründer. Auf der anderen Seite muss man beachten, dass die Kammern wichtige hoheitliche Aufgaben vom Gesetzgeber übertragen bekommen haben, die man nicht einfach negieren kann. So sind sie für die Überwachung und Förderung der Berufsausbildung zuständig, was insbesondere in Deutschland zu einer anerkannt niedrigen Jugendarbeitslosigkeit beiträgt. Sie definieren verschiedenste Qualitätsanforderungen und überprüfen diese, sie nehmen Prüfungen ab, sollen einen fairen Markt sichern und ein kundenorientiertes und sittlich anständiges Verhalten ihrer Mitgliedsunternehmen gewährleisten. Sachverständige werden oft von Kammern bestellt und vereidigt, Zeugnisse und Beglaubigungen erstellt, Beratungen erteilt, Förderprogramme aufgelegt, Messen und Ausstellungen organisiert und Fort- und Weiterbildungen angeboten. Die Liste ist lang und kann hier nicht annähernd vollständig wiedergegeben werden. Die eigentliche, etwas abstrakt formulierte Aufgabe besteht jedoch darin, Interessenvertreter der Mitgliedsunternehmen gegenüber Politik und staatlicher Verwaltung zu sein. Dies geht überhaupt nur aufgrund der weitgehenden finanziellen Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Kammern. Die Berufsgenossenschaften, auf die der Antrag PA188 nicht explizit eingeht, versichern zudem Millionen von Beschäftigten im Falle von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten und gewährleisten die Beteiligung der Arbeitgeber an den Kosten der Rehabilitation.
Das Bundesverfassungsgericht hat eine Verfassungsbeschwerde zur Pflichtmitgliedschaft in Kammern gar nicht erst angenommen (Beschluss vom 7. Dezember 2001 – Az. 1 BvR 1806⁄98). Obwohl die Verfassungsrichter auf sich ändernde gesellschaftliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen und notwendige Überprüfungen durch den Gesetzgeber hinwiesen, hielten sie die Pflichtmitgliedschaft mit dem Grundgesetz für vereinbar. Überdies wurde in der Abweisung erläutert, dass per Gesetzesänderung zum 1.1.1999 ungünstige Regelungen zur Festsetzung der Mitgliedsbeiträge rückgängig gemacht wurden und Kleingewerbetreibende bis zu einem bestimmten Ertrag beitragsfrei sind. Es ist außerdem interessant zu lesen, dass die Verfassungsrichter Organe mit Selbstverwaltung für freiheitssichernder halten, weil die Betroffenen durch Mitbestimmungsmechanismen beteiligt sind. Dies könnte nicht gewährleistet werden, wenn die gleichen Aufgaben durch staatliche Behörden oder gar durch private Verbände und Institutionen ausgeübt würden. Der "Gemeinwohlauftrag" der Kammern setzt einen alle Branchen und Betriebsgrößen umfassenden Mitgliederbestand voraus, in dem gerade auch kleine und mittlere Unternehmen beteiligt sind und ihre Interessen einbringen können.
Um auf den Antrag PA188 zurück zu kommen, so frage ich mich ernsthaft, ob dem Antragsteller diese doch sehr komplexen Zusammenhänge wirklich klar waren. Klar sind jedoch die Konsequenzen seiner Forderung. Bei Wegfall einer Pflichtmitgliedschaft würden wohl vor allem kleine und mittlere Unternehmen scharenweise die Kammern verlassen, um Beiträge einzusparen und der vermeintlichen oder tatsächlichen Gängelung zu entfliehen. Die o.g. hoheitlichen Aufgaben könnten durch die Kammern vermutlich nicht mehr gegenfinanziert werden, sind jedoch — zumindest in einem bestimmten Maß — weiterhin notwendig und sinnvoll. Die dann fehlenden Beträge sind im übrigen kein Peanuts, sondern bemessen sich nach Milliarden Euro. Die peinliche Frage, die sich der Parteitag gar nicht erst gestellt hat, lautet: wer bezahlt dann den Salat? Die Antwort ist einfach und ebenso peinlich: natürlich der Steuerzahler.
Es waren gerade die Piraten, die nicht müde wurden, das Hotelsteuergeschenk der FDP als typische Klientelpolitik ins Rampenlicht der Öffentlichkeit zu stellen und zu karikieren. Zu Recht. Was eben gerade in Offenbach jedoch passiert ist, scheint den Wenigsten bewußt zu sein. Die Piratenpartei hat nämlich dem gewerblichen Mittelstand ein tolles Wahlgeschenk angeboten: Wenn ihr uns wählt, dann befreien wir euch von den Pflichtbeiträgen der Kammern und Berufsverbände, die wir im Ausgleich dem Steuerzahler aufbrummen. Auch das ist Klientelpolitik reinsten Wassers, machen wir uns nichts vor. Die sozialliberale Wunschpartei zaubert ihre Methodik aus dem neoliberalen Werkzeugkasten. Schließlich waren und sind wir angetreten Politik mit und für die Bürger zu machen. Ich kann mich jedoch nicht erinnern, in eine Partei eingetreten zu sein, deren erklärtes Ziel es anscheinend ist, Unternehmen zu entlasten und die Bürger zu belasten. Ich war eigentlich bisher der Meinung, dass wir so eine Scheiße der FDP und den anderen etablierten Bonzenparteien überlassen. Dummerweise müssen wir nun konstatieren, dass wir in dieselbe Falle getappt sind.
Es steht die Frage im Raum, ob wir die Größe haben, diesen Fehler zu erkennen und zu korrigieren. Oder ob wir einfach weiter machen, als wäre nichts gewesen. Der richtige Weg hätte darin bestanden, eine grundlegende demokratische Reform des Kammerrechts zu fordern und in Gang zu setzen — nicht aber Ausgaben zu Lasten der Bürger umzuverteilen.
Ich möchte zum Abschluss darauf hinweisen, dass es schon Parteimitglieder gegeben hat, die aufgrund der gerade erläuterten Parteitagsentscheidungen ihren Austritt erklärt haben. Das ist auf der einen Seite außerordentlich bedauerlich, auf der anderen Seite komme ich nicht umhin, die Konsequenz in ihrem Handeln zu bewundern. Da es also bereits jetzt begonnen hat, möge sich jeder Pirat fragen, inwieweit er seine Ideale korrumpieren lassen will und entsprechende Schlüsse daraus ziehen. Das ist keine Aufforderung zum Parteiaustritt, sondern dazu wachsam zu sein und unsere Ideale nicht gleich am Anfang in die Tonne zu treten. Dafür haben wir auch später noch genügend Zeit ...
21 thoughts on “"Es hat bereits begonnen..."”
Hallo!
JA und JA und JA! Wir haben in Berlin eine Begrenzung von 10.000 Euro im Jahr ... die Lvs sollten da nachziehen ... und dann den Antrag nochmal stellen ....
Das mit der IHK — ich denke die meisten wussten nicht genau was da geht .... haben wir in NRW auch. Ist Wohl ein Schrade-Ding. Der darf echt nicht mehr gewählt werden -.-
LG
Hallo Frank,
bezüglich der Spendenbegrenzung: fatal.
Du beklagst mE zurecht, dass über die hoheitlichen Aufgaben der Kammern zunächst nicht diskutiert worden ist. Ich verstehe diesen Antrag jedoch als Vision, die konkrete Ausgestaltung des Weges dorthin liegt nun vor uns. Ebenfalls stimme ich zu, dass "der Steuerzahler" für die Kosten der hoheitlichen Aufgaben aufkommen muss. Steuerzahler ist jedoch nicht nur der average Joe, sondern eben auch die Firmen. Wenn wir Bürokratie abbauen wollen, müssen wir anfangen, die tausend Steuer- und Förderarten (Zwangsmitgliedschaft gehört m.E. dazu) zu reduzieren. Hoheitliche Aufgaben gehören schon dem Namen nach in Hand des Staates. Was spricht dagegen, die Aufgaben der von dir aufgezählten Kammern (Ausnahmen) ebenfalls dort auch zu platzieren?
-phil
Man muss m.E. "Bürger" sauber von "Unternehmen" trennen. Unternehmen haben keine natürlichen Grundrechte, Menschen dagegen schon. D.h. nicht, dass im Einzelfall ein Freiberufler als Einzelkämpfer oder ein Ladenbesitzer oder ein kleiner Handwerker keine Hilfe oder Förderung vom Staat bekommen soll. Es heißt einfach nur, dass es Aufgabe der Politik ist, sich um das Gemeinwohl aller Bürger zu kümmern. Spezielle Interessengruppen (und das sind Unternehmen nun einmal) auf Kosten der Allgemeinheit zu entlasten ist aber typische Klientelpolitik, über die wir uns bei jeder anderen Partei zu Recht maßlos aufregen.
Die "hoheitlichen Aufgaben" haben einen klaren unternehmerischen Bezug, gleichzeitig aber zumindest teilweise einen offiziellen Charakter (Prüfungen, Beglaubigungen, Gutachten usw.). Es gibt keinen Grund, die Kosten dafür der Allgemeinheit aufzubürden.
Welche vorteile hat man denn genau wenn man in eine Kammer Zwangsmitglied ist. Und welche Kosten sollten beim wegfall auf die Steuerzahler zukommen?
Empfehle mal als Einblick, sich das hier durchzulesen:
http://www.ruhrbarone.de/das-kammerunwesen-oder-die-wiederauferstehung-der-mittelalterlichen-zuenfte/
Unbestritten ist in den letzten Jahrzehnten in der Entwicklung der Kammern und Verbände nicht gerade wenig schiefgelaufen. Die Liste der Kritikpunkte ist lang und in der Mehrzahl der Fälle berechtigt. Doch darum ging es mir nicht. Auf eine nötige Reform des Kammerrechts ist der BPT-Antrag ja gar nicht erst eingegangen. Es ging mir um die Umverteilung von unten nach oben und die haben wir schon genug. Über die Summen kann ich keine nachprüfbaren Aussagen machen, es dürften jedoch etliche Milliarden sein.
Hallo Frank,
zu den Kammern ist auf dem letzten LPT in Thüringen und auf der Mailingliste schon viel gesagt wurden. Ich wiederhole mich hier also jetzt nicht.
Interessant finde ich allerdings, dass du die Lobby-Funktion der IHK positiv betonst. Vor allem, da du die FDP im selben Moment kritisierst und den Piraten-Beschluss negativ konnotiert als "neoliberal" bezeichnest. Das ist fast paradox, da die Lobby-Politik der IHK ja genau im Sinne der FDP Wirtschaftspolitik ist. Deswegen würde die FDP wohl auch nie die Pflichtmitgliedschaft abschaffen...
Aber ich hoffe auch, dass kungler bzw. die Unternehmerpiraten diesen Antrag korrigieren und konkretisieren. Er ist qualitativ schlecht und hat eigentlich auch nichts im Grundsatzprogramm, sondern im Wahlprogramm etwas verloren. Hauptmanko ist aber: es werden keine Alternativen aufgezeigt. (Klar, dass man dann gleich denkt, der Steuerzahler müsste alles tragen...) Ebenso müsste argumentativ aus dem Text hervorgehen, warum man die einen Kammern einschließt und die anderen Kammern ausschließt.
Zum anderen Thema: mir wäre die Nichtannahme von Spenden juristischer Personen wichtiger gewesen. Ja, ich habe mich bei den 50.000 enthalten, weil es diese "Empfehlung im Wiki" gibt ... die ich übrigens als Selbstverpflichtung verstehe und die auch so gehandhabt wird (sonst: Shitstorm, hoffentlich).
Allgemein halte ich aber beides für eine eher symbolartige Regelung, da es immer Wege gibt... wie die Aufteilung der Spenden auf Familienangehörige und Bekannte (gängige Praxis bei Parteispenden) oder eben das Spenden aus dem Privatvermögen statt aus dem Firmenvermögen.
Gruß,
Stephan
#Firmenspenden:
Überhaupt keine Firmenspenden annehmen wäre die einfachste, beste und radikalste Lösung. Würde mir auch gefallen. Aber wie heißt es immer so schön: politisch nicht durchsetzbar. Nicht mal bei den Piraten. Also heißt es Kompromisse suchen ...
#Kammern
Kammern sind per Definition Interessenverbände für Unternehmen und zwar — das darf man nie vergessen — mit Selbstverwaltung der Mitglieder. Wenn woanders ein Vereinsmitglied sich von den anderen Vereinsmitgliedern oder der Vereinsspitze übervorteilt sieht, muss ja auch nicht der Staat einspringen und ihm aus der Patsche helfen. Ich habe die Lobbyarbeit der Unternehmen nicht positiv hervorgehoben, sondern lediglich die Aufgaben der Kammern aufgelistet, die nicht alle überflüssig und vernachlässigbar sind. Es ist das gute Recht, wenn Unternehmerverbände für ihre Interessen Lobbyarbeit betreiben. Es ist allerdings nach wie vor fatal, wenn Politik aufgrund dieser Lobbyarbeit die falschen Entscheidungen trifft und einzelne Gruppen oder Bereiche der Gesellschaft auf Kosten der Allgemeinheit bevorteilt oder subventioniert. Und zwar nur mit dem Ziel des Vorteils, nicht mit dem Ziel, damit etwas ganz Wichtiges für die gesamte Gesellschaft zu erreichen.
Hallo,
bei allen Themen verhält es sich ähnlich wie mit dem Thema Websperren. Es hat viel Kraft gekostet die Gegenseite davon zu überzeugen, dass dies Schädlich für die Meinungsfreiheit ist und nichts mit Kinderpornos zu tun hat. Genauso verhält es sich bei den Kammermitgliedschaften. Es wird wieder lange dauern zu vermitteln, dass es nicht um die Abschaffung der Aufträge, sondern um die Verbesserung der Qualität und der Freiheit des Unternehmers bei der Auswahl der Kammern geht.
Auch beim BGE verhält es sich so, Ziel ist nicht die unbedingte Einführung, sondern die Auslotung der Möglichkeiten und die Wahl der Bürger über die Einführung.
Zumindest ist das was ich von diesen Themen so mitnehme.
Ja, doof gelaufen mit dem Antrag PA188.
Was lernen wir daraus (insbesondere die Neulinge in der Partei sollten sich dieses zu Herzen nehmen): Nicht jedes Bundesvorstandsmitglied, welches einen Anzug trägt auch auch Ahnung von dem was er macht. Gefährliches Halbwissen sozusagen.
PA188 ist reingekommen. Tja, dann müssen wir den Antrag auf dem nächsten oder übernächsten BPT eben wieder rausschmeißen. Und wichtig: Kungler nicht noch mal wählen.
Wollen wir mal hoffen, das dieses mal jemand anders die Antragskommission macht, und diese nicht auch aus dem Hause Kungler kommt.
Zum Trost kann man nur froh sein, das dies der einzige Neolib-Antrag ist, der durchgekommen ist. Da war noch ___viel___ mehr übles Zeug über welches zum Glück nicht abgestimmt wurde.
Es mag ja sein, daß die Argumente derer, die diesen Antrag eingebracht und befürwortet haben, berechtigt sind.
Der Antrag, so wie er ist, ist es aber nicht.
Wäre es ein Antrag gewesen: "Die Arbeit der Kammern, die Verwendung der Gelder muß transparenter werden, die Interessen ALLER Mitglieder müssen besser gewürdigt werden" oder so — keine Frage.
Aber so fühle ich mich hier vor den Karren einer einzelnen Gruppe gespannt und ich sage euch, das fühlt sich verdammt mies an.
Der Antrag ist einfach nur destruktiv und offenbart eine egoistische Denkweise: "Ich will nicht für etwas zahlen, von dem ich direkt nichts habe".
Wenn ich dann noch lese, wie man stolz dem Peter Altmeier twittert "Das kostet euch 1% des Mittelstandes", dann wird mir schlecht.
Dafür bin ich nicht Pirat, um Lobbyarbeit für Unternehmer zu leisten, denen das Hemd näher ist als der Rock.
Ich ärgere mich zutiefst, daß ich während der Diskussion zum Antrag gerade mal für ein Weilchen draußen war und nicht rechtzeitig am Mikrofon.
Ja Irmgard, du sprichst mir aus der Seele. Wenn wir gute Politik machen wollen, müssen wir wohl lernen, über den Tellerrand unserer persönlichen Erfahrungen, Bedürfnisse und Befindlichkeiten hinaus zu gucken.
Oder um es etwas drastischer auszudrücken: Die Kammern sind bekanntermaßen ein undemokratischer Sauhaufen und überall da, wo es Pöstchen und Geld zu verteilen gibt, haben wir den selben Salat (siehe ja nicht zuletzt die Parteien selbst). Doch sie üben nach wie vor wichtige und teure Aufgaben aus und das Geld muss irgendwo herkommen. Es ist das gute Recht von "Mittelständlern" und "Unternehmern" in der Partei, ihre Sichtweise und ihre Vorstellungen für eine gerechtere Gesellschaft einzubringen. Damit ist jedoch die gesamte Gesellschaft gemeint und nicht der Vorteil einiger weniger.
Du schreibst, Du könntest Dich nicht daran erinnern, in eine Partei eingetreten zu sein, deren erklärtes Ziel es anscheinend wäre, Unternehmen zu entlasten und die Bürger zu belasten.
Diesen tiefen Graben zwischen Unternehmen und Bürgern zu ziehen ist zu kurz gedacht. Wir werden und sollten auch nie Politik nur für eine die Seite machen. Parteien, die populistisch gegen Unternehmen wettern, gibt es da draußen mehr als genug.
Der Antrag PA188 hat ein Ziel. Im besonderem Maße die Mikrounternehmen zu entlasten, die unverhältnismäßig hohe Kosten durch eine Zwangsmitgliedschaft aufgebürdet bekommen. Nicht jeder Unternehmer schwimmt in Geld. Oder um es weniger abstrakt zu beschreiben. Nicht jeder, Handwerker, Gebäuderreiniger, etc. hat genug am Ende des Monats übrig. Sind das keine Bürger?
Ich kann wirklich nicht verstehen, warum es falsch sein sollte, sich für diese Menschen einzusetzen, damit sie im besten Falle weitere Leute einstellen können. Wäre das nicht auch gleichzeitig eine "Entlastung für den Bürger", wie Du sie beschrieben hattest?
Ich gebe dir gern Recht. Allerdings ist nichts von dem, was du vorbringst, im Antrag zu finden! Weder die Entlastung kleinerer Unternehmen, noch die Förderung von Arbeitsplätzen, noch sonst irgendetwas in diese Richtung.
Man muss außerdem auch mal auf dem Teppich bleiben. Wenn wir hier über "unverhältnismäßig hohe Kosten" reden, dann meinen wir für ein kleines Unternehmen Summen von ca. 100 — 500 Euro im Jahr. Ich war selbst mal über 5 Jahr selbständig und weiss, wie lästig eine solche Rechnung sein kann. Aber die Antwort darauf kann nicht lauten, dann bezahlt diese Rechnung halt der Steuerzahler für mich.
Zu den Kammern kann ich nur sagen, dass die beiden Handwerker an unserem Stammtisch voll dafür wahren, die Zwangsmitgliedschaft abzuschaffen. Die muss ich erst mal als Experten gelten lassen, Gegenargumante hat es nicht gegeben (Stammtisch, war nicht beim BPT).
Wegen einzerlner Sachen auzureten ist dumm. Gerade wenn man dagegen ist. Denn bei den Piraten geht es durchaus, mit guten Argumenten eine Meinung zu ändern. Mit einer Kleinkind-Trotzreaktion geht das aber natürlich nicht.
Und mit so einer Reaktion kann man in keiner Partei sein, denn es wird immer etwas geben, das man nicht mag.
Bei (Partei)spenden gehören immer zwei dazu, einer der sie gibt, einer der sie annimmt. Der Vorstand kann jederzeit Spenden ablehnen, wenn er den Spender nicht mag.
Und die IHKs sind ein aufgeblähtes Bürokratiemonster. Da springen jede Menge teurer Leute rum, die den ganzen Tag Handelsblatt lesen. Ist noch unangenehm in Erinnerung, wie die in ihrer behördenähnlichen Arroganz mal die Kleinstunternehmer, nebenberuflich Selbständigen zur Kasse bitten wollten.