Rechtspopulisten auf den Mars
Ich komme erst jetzt dazu ein skurriles Nachwahl-Erlebnis mal kurz aufzuschreiben. Es ist Montag, ein Tag nach den Landtagswahlen, bei denen die AfD in drei Bundesländern ordentlich abgeräumt hat. Ich fahre von der Arbeit nach Hause, es ist ca. 18.15 Uhr und ich höre — wie immer — Deutschlandradio Kultur. Es wird ein Beitrag über die ESA-Mission zum Mars angekündigt. Einstieg durch den Moderator (es gibt zusätzlich noch eine Moderatorin, die auch mit quasselt): Auf dem Mars wäre ja eigentlich genug Platz für Rechtspopulisten, kann man die nicht irgendwie dahin verfrachten ... blabla ... Es folgt der eigentliche Beitrag über den geglückten Start der Rakete und das Ziel der wissenschaftlichen Untersuchungen. 2018 soll dann noch ein Marsrover folgen, der auch Bodenproben nimmt und nach Mikroorganismen durchsucht. Ende des Beitrags. Abschließende Moderation: na hoffentlich findet der da nicht noch mehr Rechtspopulisten.
Boah!!! Kann das sein? Hab ich mich gerade verhört? Nee, ich hab mich nicht verhört. Selbst bei einem neutralen wissenschaftlich-technischen Thema, weitab von der aktuellen Politik, wird mit dem Charme eines Brecheisens die politisch korrekte Propaganda-Botschaft eingestreut. Es mag ja sein, dass die Menschheit gerade mal wieder zu einem anderen Planeten aufbricht. Viel wichtiger ist, lieber Hörer, die Rechtspopulisten sind böse. Man sollte sie auf einem unwirtlichen Planeten internieren und dort ein für allemal isolieren. Irgendwie schwingt da unterschwellig die krude Wunschvorstellung von Säuberung und Lagern mit, in die man all diejenigen verbringt, die die reine Lehre stören. Den Feind halt.
Als DDR-Kind kenne ich das. Heute schon das richtige politische Bekenntnis abgelegt? Gezeigt, dass man zur richtigen Seite gehört? Ich erinnere mich an meinen Staatsbürgerkundelehrer auf der Erweiterten Oberschule, der beim Betreten des Klassenzimmers "Rotfront, Genossen!" rief. Nein, da gab es niemanden, der ihn dazu gezwungen hätte. Das tat er aus einem inneren Bedürfnis heraus zu den Guten zu gehören. Er pflegte ebenfalls unpolitische Themen zu ideologisieren. Beispielsweise mit Verweis auf das Wetter: Alles Schlechte kommt aus dem Westen, selbst das schlechte Wetter! Der Klassenfeind droht halt von überall, selbst aus Regenwolken. Der Klassenfeind lauerte überdies auch in Plastiktüten aus BRD-Supermärkten, in Walkmens und westlicher Rockmusik, in Wrangler-Jeans und im Westfernsehen sowieso. Da war Ärger vorprogrammiert.
Auch den Radiomoderator hat niemand gezwungen, ein ideologisches Bekenntnis an einer unpassenden Stelle abzugeben. Es war ihm — ebenso wie meinem Staatsbürgerkundelehrer — ein Bedürfnis zu demonstrieren, dass er auf der richtigen Seite steht. Soweit sind wir schon wieder. In einer Gesellschaft, die unablässig betont, wie "bunt" und "pluralistisch" sie doch ist, gibt es auf einmal nur noch zwei Seiten. "Zurück oder vorwärts — du musst dich entscheiden", wie es so unmissverständlich in einem DDR-Kampflied hieß. Dazwischen gibt es keine anderen Farben, nichtmal Grautöne, keine Abstufungen oder Wahlmöglichkeiten. Nur schwarz oder weiß. Jeder sollte zeigen, dass er zur richtigen Seite gehört. Tut er das nicht, macht er sich verdächtig. Nazi oder Nicht-Nazi, das ist hier die Frage. Andere Fragen sind uninteressant. Unabhängiger, neutraler Journalismus gehört damit zwangsläufig auch der Vergangenheit an. Er wandelt sich zum Staatsfunk, dessen Aufgabe die Propaganda ist und nicht die objektive Information. Die Partei hat immer recht. Mit Nachrichten wird man dann nur noch nachgerichtet.
Noch gibt es die Möglichkeit zu wählen. Man kann sogar "die Falschen" wählen. Jeder kennt die Redewendung, wenn man mal wütend ist: Ich könnte dich auf den Mond schießen. Wir wissen jetzt, dass unsere Regierung, die CDUSPDGRUENE-Einheitspartei und ihre Volksumerziehungsmedien sogar ganze Bevölkerungsanteile, die falsch gewählt haben, gern auf den Mars schießen würden. Alle, die hier bleiben dürfen, wissen dann Bescheid, was sie sagen und wie sie sich verhalten müssen. Oder tun zumindest so, als wüssten sie es. Ist das jetzt irgendwie noch lustig? Nein, ganz und gar nicht. Es zeugt von einem inhärenten Bedürfnis nach gewaltsamer ideologischer Gleichschaltung einer ganzen Gesellschaft. Das hatten wir schon, es nannte sich Faschismus oder Diktatur des Proletariats.