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Der verwaltete Eros (Teil 1)

Der verwaltete Eros (Teil 1)

3. Januar 2018 Comments 1 comment
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"Ero­tik ist Über­win­dung von Hin­der­nis­sen. Das ver­lo­ckends­te und popu­lärs­te Hin­der­nis ist die Moral." (Karl Kraus)

Wie wahr­schein­lich bei vie­len ande­ren auch, war mein ers­tes Mal wenig berau­schend. Ich kom­me nicht umhin, ein wenig aus dem Näh­käst­chen zu plau­dern, um mich dem Kern mei­nes The­mas anzu­nä­hern. Man möge es mir ver­zei­hen. Es war Sil­ves­ter 1982 und ein klei­ner Kreis jun­ger Leu­te fei­er­te in einem Gar­ten­haus in der Nähe eines klei­nen thü­rin­gi­schen Wald­or­tes. Es war kalt und es lag viel Schnee. Die Par­ty war nicht der Knal­ler, dafür waren wir zu jung und viel zu gut erzo­gen. Wir spiel­ten irgend so etwas wie Fla­schen­dre­hen. Man muss­te hin und wie­der eines der Mäd­chen küs­sen oder etwas ande­res Lächer­li­ches tun. Irgend­wann in der Nacht blie­ben nur noch mein bes­ter Schul­freund mit sei­ner Freun­din, außer­dem ein mir bis dahin unbe­kann­tes Mäd­chen und ich selbst zurück. Das Pär­chen ver­schwand im Nach­bar­raum und so führ­te das Zusam­men­schmel­zen der Run­de zu einer Situa­ti­on, in der wir übri­gen zwei uns mit einer gewis­sen unab­än­der­li­chen Logik dazu gedrängt/genötigt/verführt fühl­ten, mit­ein­an­der Sex zu haben. Wir ver­stän­dig­ten uns dar­über nicht, jeden­falls nicht ver­bal. Als Green­horn beschränk­te sich mein Talent dar­auf, mei­ne lan­ge Unter­ho­se auf eine bren­nen­de Ker­ze zu schmei­ßen und die Situa­ti­on so unver­fäng­lich wie mög­lich hin­ter mich zu brin­gen. Ihr Talent beschränk­te sich dar­auf, die gan­ze Zeit wie ein leb­lo­ser Holz­block da zu lie­gen, hef­tig zu atmen und dar­auf zu war­ten, dass es zu Ende war. Wir rede­ten auch im Anschluss und in der Fol­ge nie über die­ses Gesche­hen und erst­recht nicht über Sex. Obwohl ich weder ver­liebt war, noch beson­ders auf die­ses Mäd­chen stand, fühl­te ich mich ver­pflich­tet, etli­che Mona­te mit ihr eine Fern­be­zie­hung zu füh­ren, die ich kurz nach­dem ich zum Wehr­dienst ein­ge­zo­gen wor­den war, beendete.

Ja, es waren prü­de Zei­ten damals. Wir hat­ten von nichts eine Ahnung. In mei­nem Eltern­haus war nie eine Sil­be über Sexua­li­tät ver­lo­ren wor­den. Natür­lich konn­te man brav sein und dar­auf ver­zich­ten, die durch und durch pas­si­ve Weib­lich­keit zu bedrän­gen, aber dann konn­te man auch gleich ein Klos­ter­ge­lüb­de able­gen. Am erfolg­reichs­ten in die­sen Din­gen waren die Jungs mit der größ­ten Klap­pe und dem gerings­ten IQ, wahr­schein­lich weil sie kei­nen Gedan­ken an Moral oder Anstand ver­schwen­de­ten. Nach heu­ti­gen Maß­stä­ben wäre es für das Mäd­chen von damals ein Leich­tes gewe­sen, mich der Ver­ge­wal­ti­gung zu bezich­ti­gen. Wir hat­ten kei­ne ein­zi­ge Sekun­de dar­über nach­ge­dacht, ob wir nun in gegen­sei­ti­gem Ein­ver­neh­men gevö­gelt hat­ten oder nicht. Es wäre mir nie gelun­gen, ihr Ein­ver­ständ­nis zu bewei­sen. Selbst viel spä­ter hät­te sie sich noch ument­schei­den und plötz­lich fest­stel­len kön­nen, dass ja alles gegen ihren aus­drück­li­chen Wil­len pas­siert war. Wie man heu­te weiß, geht das sogar noch nach Jahr­zehn­ten. Die sprich­wört­li­che Arsch­kar­te wäre mir als Mann auf jeden Fall sicher.

Der Unter­schied von damals zu heu­te besteht dar­in, dass wir uns in den Acht­zi­gern unse­re sexu­el­le Frei­heit müh­sam erar­bei­ten muss­ten, nicht gegen­über einer repres­si­ven Insti­tu­ti­on, son­dern gegen­über uns selbst. Jedem war dabei klar, dass nicht alle Erfah­run­gen der ulti­ma­ti­ve Kick sein konn­ten. Man fand sich hin und wie­der in Situa­tio­nen wie­der, die man spä­ter bes­ser ver­gaß. Das war ja im rest­li­chen Leben auch nicht anders. Aber es war genau­so jedem klar, dass es bes­ser war, Erfah­run­gen zu machen, in denen man rei­fen und dazu ler­nen konn­te, als aus fal­scher Zurück­hal­tung gar nichts zu tun und als ver­ach­te­tes Mau­er­blüm­chen zu enden. Nie­mand hät­te abge­strit­ten, dass man für alles selbst ver­ant­wort­lich war, für die Lust, den Rausch und das Glück genau­so wie für den Mist, den man bau­te oder über den man gele­gent­lich stol­per­te. In die­ser Hin­sicht gab es (noch) kei­nen Unter­schied zwi­schen Män­nern und Frauen.

In der post­mo­der­nen kapi­ta­lis­ti­schen Gesell­schaft ist nun alles anders. Sexua­li­tät ist all­ge­gen­wär­tig und schon Zehn­jäh­ri­ge kli­cken auf ein­schlä­gi­gen Inter­net­por­ta­len alle denk­ba­ren sexu­el­len Spiel­ar­ten durch. Jeder weiß was Sache ist. Die Frei­heit zu tun und zu las­sen was man möch­te, war noch nie so groß wie heu­te. Erstaun­li­cher­wei­se führt das jedoch nicht zu einem selbst­be­stimm­te­ren Leben, son­dern zum Gegen­teil. Die Schnee­flöck­chen-Gene­ra­ti­on lehnt es ab, Ver­ant­wor­tung für das eige­ne Tun zu über­neh­men. Die Irri­ta­ti­on ist groß, das Selbst­be­wusst­sein klein. Nicht nur im Bereich der Sexua­li­tät fühlt man/frau sich über­for­dert, ange­grif­fen, dis­kri­mi­niert, miss­ach­tet und in einem stän­di­gen Zustand der Ver­tei­di­gung gegen alles und jeden. Schuld dar­an haben immer nur die ande­ren. Das Leben muss süß wie rosa Zucker­wat­te sein, die man in einem Safe­space schleckt. Und wehe, es guckt jemand dabei zu.

Die Gesell­schaft muss sich nun auf ein­mal Gene­ra­tio­nen erweh­ren, die jed­we­de Unwäg­bar­keit der Rea­li­tät als Bedro­hung und Angriff gegen die eige­ne Per­son emp­fin­den. Ob das ein Ergeb­nis der berüch­tig­ten Heli­ko­pter-Erzie­hung oder einer mate­ri­ell über­reich­lich aus­ge­stat­te­ten Kind­heit ist, weiß ich nicht. Fakt ist jedoch, dass wir es auf der einen Sei­te mit Men­schen zu tun haben, die gegen­über tat­säch­li­chen Bedro­hun­gen und Ver­bre­chen total ohn­mäch­tig und hilf­los sind, ande­rer­seits aber bei Nich­tig­kei­ten absur­des­ter Art Auf­schrei-Kam­pa­gnen los­tre­ten, die aggres­si­ver kaum sein könn­ten. Vor­sicht Trig­ger­war­nung: Eine unge­woll­te Hand auf einem Knie ist kein Erd­be­ben und kei­ne Hun­gers­not, kei­ne grau­sa­me see­li­sche Ver­let­zung und auch kei­ne gewalt­tä­ti­ge Über­tre­tung eher­ner Men­schen­rech­te. Es ist ein­fach nur eine Hand auf einem Knie. Die­se Berüh­rung kann man nicht bean­tra­gen wie einen Ein­trag ins Ein­woh­ner­re­gis­ter und im Ein­zel­fall auch nicht ver­hin­dern, es sei denn man läuft sein gan­zes Leben in einer eiser­nen Rüs­tung her­um. Aber selbst eine Rüs­tung hat ein Knie, an das man sich her­an­wa­gen kann. Mit ande­ren Wor­ten, der Vor­rat an uner­wünsch­ten Ereig­nis­sen, über die man sich empö­ren kann, ja muss, ist uner­schöpf­lich. Man kann das Spiel mit­spie­len oder nicht, doch in den sel­tens­ten Fäl­len wird die­se Ent­schei­dung von der ratio­na­len Ver­nunft getrof­fen. Das Unbe­wuss­te ist da viel schneller.

Einen anzüg­li­chen Witz, einen lüs­ter­nen Blick auf einen Hin­tern, eine unge­woll­te Berüh­rung oder ein komi­sches Kom­pli­ment als Über­griff zu betrach­ten, sagt mehr über die­je­ni­gen aus, die sich ange­grif­fen füh­len als über die ver­meint­li­chen "Mikro­ag­gres­so­ren". Wird frau in Kür­ze gegen Regen, Wind oder eine Schlamm­pfüt­ze auf dem Weg einen Auf­schrei star­ten? Soll­te der Staat dafür sor­gen, dass es kei­ne Schlamm­pfüt­zen mehr gibt, damit nie­mand hin­ein­tre­ten oder gar dar­in aus­rut­schen kann? Oder soll­te man nach wie vor erwar­ten dür­fen, dass jemand die Kraft hat, ein­fach dar­um her­um zu lau­fen? Oder sei­ne Schu­he zu säu­bern, wenn er doch hin­ein­ge­tre­ten ist? Die eige­nen Makel, Pro­ble­me oder Fehl­schlä­ge sind jetzt nicht mehr auf dem eige­nen Mist gewach­sen, son­dern wer­den zu gesamt­ge­sell­schaft­li­chen Phä­no­me­nen hoch­sti­li­siert, die jeden anzu­ge­hen haben. Hast du kei­ne Lust dir die Jacke anzu­zie­hen, gehörst du zu den Schuldigen.

In den Leit­me­di­en wird in den letz­ten Jah­ren viel über eine Kri­se der Männ­lich­keit räso­niert. Dabei wird geflis­sent­lich über­se­hen, dass sich auch die Weib­lich­keit in einer Kri­se befin­det, die kras­ser nicht sein könn­te. Der tat­säch­li­che und besorg­nis­er­re­gen­de Angriff läuft auf Hoch­tou­ren gegen die Geschlecht­lich­keit von Män­nern UND von Frau­en. Klas­si­sche Weib­lich­keit und die mit ihr ver­bun­de­ne Ero­tik, wie sie noch vor 20 Jah­ren (oder vor 100 Jah­ren!) völ­lig nor­mal war, wird heu­te mit gro­ßen Anstren­gun­gen zer­bro­chen. Sexu­ell extrem repres­si­ve Reli­gio­nen wie der Islam gehen dabei einen merk­wür­di­gen Pakt mit iden­ti­täts­zer­stö­ren­den "lin­ken" und "femi­nis­ti­schen" Kampf­trup­pen ein, deren Gleich­stel­lungs- und Diver­si­ty-Fana­tis­mus einen neu­en, wahl­wei­se meta- oder ase­xu­el­len Men­schen zum Ziel hat. Die­ser Mensch ist glo­bal gleich, wur­zel- und kul­tur­los und daher belie­big zu for­men, mus­ter­haft zu prä­gen und leicht zu unterwerfen.

Wie ver­wor­ren, ja psy­cho­pa­tho­lo­gisch die gesell­schaft­li­chen Vor­stel­lun­gen in die­ser Hin­sicht mitt­ler­wei­le sind, sieht man dar­an, dass ange­sichts einer Wel­le schwer­wie­gen­der sexu­el­ler Gewalt, die die­ses Land gera­de über­zieht, über lächer­li­che Ein­ver­nehm­lich­keits­ri­tua­le und ‑ver­trä­ge dis­ku­tiert wird, als könn­te man auch die feins­ten ero­ti­schen Signa­le wie ein Ver­si­che­rungs­mak­ler in einer Excel-Tabel­le ver­wal­ten ((Schwe­den soll da Vor­rei­ter wer­den mit dem "Ver­kehrs­ab­kom­men".)). Wir ste­hen mitt­ler­wei­le einer "Kul­tur" gegen­über, die Frau­en stei­nigt, anzün­det, mit Säu­re ver­ätzt, absticht oder mit einem Strick um den Hals an einer Anhän­ger­kupp­lung durch die Stra­ßen schleift und regen uns ange­sichts die­ses Grau­ens über harm­lo­se, vor­zugs­wei­se älte­re wei­ße Män­ner auf, die nack­te Comic­fi­gu­ren auf ihrem Hemd tra­gen ((gemeint ist der Fall des Roset­ta-Wis­sen­schaft­lers Matt Tay­lor, z. B. hier beschrie­ben: https://www.welt.de/vermischtes/article134377376/Shirtgate-bringt-Rosetta-Forscher-zum-Weinen.html)) oder es wagen, einer Staats­se­kre­tä­rin zu sagen, dass sie jung und schön ist ((z. B. hier dis­ku­tiert: https://www.morgenpost.de/meinung/article212267655/Sexismus-oder-Kompliment-Debatte-um-Chebli-Beitrag.html)).

 

Hier geht es zu Teil 2 ...

 

Titel­fo­to: Stra­ßen­sze­ne Kali­for­ni­en in den 60igern — Foto von LeRoy Gran­nis (Quel­le: Twit­ter Histo­ry Lovers Club)


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Freiheit, Sexualität, Sexismus, Islam, Feminismus, Flüchtlinge, Frauen, Sex, Belästigung

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