Leute, die auf Plakate starren
... und mal wieder nichts kapieren.
Zur Zeit kommt der Wahlkampf für das Amt des Oberbürgermeisters in Jena langsam in die Gänge. Wahltag ist der 15. April. Die Stadt hängt nun voll mit Plakaten der Kandidaten. Obwohl ich nicht mehr Mitglied der Piratenpartei bin, unterstütze ich aus Überzeugung die Kandidatin der Jenaer Piraten Dr. Heidrun Jänchen. Heute musste ich mir im persönlichen Umfeld anhören, dass man die auf keinen Fall wählen kann. Ähm, warum denn nicht? Wie die auf dem Plakat schon aussieht und überhaupt ... Was denn überhaupt? Tja, da kommt dann schon nichts mehr. Leute, die auf Plakate starren und mal wieder nichts kapieren. Ein ganz normaler Mensch wie du und ich auf einem Wahlplakat geht nicht. Man misstraut zwar grundsätzlich Politikern und möchte eigentlich nichts mit denen zu tun haben (okay, da gibt es ein paar handfeste Gründe dafür), aber auf Wahlplakaten möchte man sie schnieke, seriös, photoshop-poliert, faltenbereinigt und gut ausgeleuchtet. Der amtierende OB tritt mit einem Plakat an, auf dem er von einem Starfotografen vor etlichen Jahren schon in Szene gesetzt zu sehen ist. Geschenkt, dass er seitdem gealtert ist und nicht mehr ganz so aalglatt rüberkommt. Geschenkt, dass es dasselbe Plakatmotiv wie vor Jahren schon ist. Der Mann macht was her! Den könnte man doch wählen, oder?
Dann gibt es noch den Anzugträger von der CDU und den Anzugträger von der AfD und den Kandidaten von der FDP im Christian-Lindner-Style, alle mit demselben Himmelblau unterlegt. Am ehesten ist die Kandidatin der Linken noch mit Heidrun Jänchen zu vergleichen. Einfach nur ein Mensch, so wie er ist. Das kommt auf einem Wahlplakat nicht gut. Da braucht Ottonormalbürger jemanden, zu dem er aufschauen und den er gleichzeitig verachten kann. Eine Typin wie von der Straße geholt, die jahrelang in Bürgerinitiativen mitgearbeitet hat und eigentlich die Sache der Leute vertritt, hat da einfach schlechte Karten. Dass sie promovierte Physikerin ist und seit Jahrzehnten in der Schlüsselindustrie Jenas arbeitet, egal. Ich frage zurück, ob man denn weiß, für was Heidrun Jänchen eigentlich steht und was sie für die Stadt erreichen will. Fehlanzeige. Ihre letzten Beiträge im Stadtratsblog gelesen? Was denn für ein Stadtratsblog? Ihre fleißige Arbeit im Stadtrat mitverfolgt oder gar mit ihr schonmal geredet? Stadtrat interessiert mich nicht. Nee, kenn ich nicht.
Ja, an irgendeiner Stelle muss man immer auf den eigenen Blutdruck aufpassen. Herrgottnochmal, schon mal in den Spiegel geschaut und festgestellt, dass ihr auch nicht wie George Clooney oder Angela Jolie ausseht? Wieso seid ihr so leicht zu manipulieren und aufs Glatteis zu führen? Manchmal verstehe ich die Leute einfach nicht. Eine Ablehnung, weil eine Kandidatin auf ihrem Plakat so aussieht, wie sie auch im normalen Leben aussieht? Ein Plakat mit Sonne im Gesicht und nicht ganz so perfekter Farbkorrektur, weil es eben nicht für viel Geld von Profis produziert wurde, sondern alles selfmade ist, ohne dicke Parteikasse im Hintergrund. Und was genau wählt ihr dann eigentlich? Den dezentesten Anzug? Die steifeste Fotostudio-Pose? Die modischste Krawattenfarbe? Das künstlichste Grinsen? Das leereste Geschwafel? Von diesen Möchtegern-Politikern würdet ihr keinen Gebrauchtwagen kaufen, aber als Oberbürgermeister, klar, warum nicht.
Ich gestehe, mich macht das fassungslos. Sicher werdet ihr euch dann in ein zwei Jahren über irgendeine Entscheidung, ein Bauvorhaben, mangelnde Bürgerbeteiligung oder teuren Nahverkehr, fehlende Kitas und Parkplätze wieder aufregen. Ihr werdet feststellen, dass eure Meinung wieder niemanden interessiert hat und ihr nicht gefragt wurdet. Ja schade, Pech gehabt. Habt euch halt leider nie mit den Inhalten hinter den Plakaten beschäftigt, sondern seid wieder mal nur den Klischees hinterhergelaufen. Wieso hat sie rote Haare? Wieso trägt sie auf dem Plakat eine Regenjacke? Wieso kommt sie nicht vom Aldebaran und streut duftende Heckenrosenblüten über die Innenstadt?
Nun, man soll nicht pauschalisieren und verallgemeinern. Ich bin sicher, es gibt viele in der Stadt, die Heidrun Jänchen schon über den Weg gelaufen sind und sie als diejenige wahrgenommen haben, die sie ist: ehrlich, fleißig, bürgernah, engagiert, klug, aufmüpfig. Die anderen können am Wahlsonntag in die Kabine gehen und je nach Wetter im Saaletal oder Blähungsdruck im Darm ihr Kreuz machen. Dann gehen sie nach Hause und fangen an darüber zu schimpfen, dass es ja sowieso niemanden gibt, der ihnen mal zuhört und im Rathaus ihre Interessen vertritt.
Video-Link: https://youtu.be/IEQ9XGoB_dM
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