So geht grün
In Jena gibt es bestimmte Dinge, die seit Jahren nicht vorankommen. So gibt es immer noch kein Bürgerbeteiligungsportal im Internet, auch keinen Mängelmelder für die Bürger, obwohl letzterer vom Stadtrat sogar beschlossen wurde. ((Was gar nichts zu sagen hat. Schliesslich hat der SPD-Oberbürgermeister z.B. per Dienstanweisung einfach den Transparenzbeschluss für Studien und Gutachten der Stadt einfach ausgehebelt. Und die Stadträte waren brav und haben gekuscht.)) Auch die AG Bürgerhaushalt hatte sich jahrelang um eine eigene Internetseite bemüht, lief damit aber nicht nur ins Leere, sondern gänzlich ins Aus — sie wurde mittlerweile aufgelöst. Was die Bürgerbeteiligung nicht geschafft hat, schafft das Buzz-word Klima locker. So hat die Stadt selbstverständlich der Jenaer Klima-Anpassungs-Strategie (JenKAS) einen eigenen Netzauftritt spendiert oder der Schritt-für-Schritt-Kampagne des (noch) grünen Stadtentwicklungsdezernats. ((Deren Zugriffszahlen liegen zwar monatlich nur im 3‑stelligen Bereich, bilden aber nichtsdestotrotz sogar eine eigene Kennzahl im Quartalsbericht des Stadtentwicklungsdezernats. Funfact: Im erwähnten Quartalsbericht wird für das Konto "5116 — Verkehrsplanung" als einzige (!) Kennzahl der Anteil an E‑Autos an den zugelassenen PKW aufgeführt. Damit wird auch das andauernde Verkehrsdesaster in der Stadt etwas nachvollziehbarer.)) Bei JenKAS kann man den denkwürdigen Satz lesen:
"Im Zuge des Klimawandels werden sich die Temperaturen an heißen Sommertagen deutlich erhöhen. Kühlende, begrünte Erholungsräume werden auch deshalb immer wichtiger."
Wenn man sich daran erinnert, wie beispielsweise der Johannisplatz im Zuge seiner Aufwertung gerade entgrünt wurde, dann entpuppt sich dieser Satz als das was er ist: ein Witz. Dieser Witz, geboren in einem grünen Politikerhirn, verkommt noch mehr zum Hohn, wenn man an die trockene Wasserrinne in der Johannisstraße denkt, an weitere totbetonierte Plätze in der Stadt, an den Brunnenkampf für den neuen Stadt-"Garten" auf dem Eichplatz oder an die endlosen Beispiele verhunzter, totgepflegter oder gefällter großer Stadtbäume, deren Nutzen für die Kühlung und Begrünung einfach niemandem auffallen will.
Grüne Politik findet in der Regel auf dem Papier statt. Und ist ausgesprochen einträglich und eigennützig. Während also die grünen Oasen in der Stadt — nicht zuletzt durch Baubeschlüsse des grünen Dezernats — immer weniger werden, vergibt man nebenbei einen Studienauftrag an das zufälligerweise parteinahe Thüringer Institut für Nachhaltigkeit und Klimaschutz (ThINK), ansässig in Jena. Man reicht ordentlich Kohle rüber und startet das Modellvorhaben
„Grüne Klimaoasen im urbanen Stadtraum Jenas“
Ich muss das hier so groß hinschreiben, weil man es sonst nicht glauben kann. Das wird sicher schön werden, bunte Fotos, Grafiken und Diagramme auf viel Papier, dazu ein paar düstere Klimaprognosen, damit man auch in Zukunft fette Studienaufträge ohne jeglichen Nutzen abfassen kann. Sicher wird man sich dann auch ganz dolle wundern, dass der Johannisplatz auf einmal — quasi wie von selbst — zu einem überhitzten Stadtraum geworden ist. Nun ja, dass Anfertigen wohlfeiler Studien bedeutet ja nicht automatisch, dass man in der schnöden Realität irgendetwas anders machen muss.
ThINK? Wer war das noch gleich? Achja, zufälligerweise auch die, die schon die JenKAS erarbeitet haben. Natürlich reicht die Erarbeitung nicht, man muss auch regelmässig evaluieren und fortschreiben und überarbeiten usw. — sonst fließt ja kein Geld mehr. ThINK fiel auch mit dem genialen Schachzug auf, sich ein noch nicht existierendes Stadtbaumkonzept (im Zuge des Klimawandels versteht sich!) von der Thüringer Umweltministerin prämieren zu lassen, die selbstredend auch zur grünen Wir-retten-das-Klima-Partei gehört. So konnte man sich auch wieder ein paar Scheine zuschieben, ordentlich grüne Parteiwerbung machen und sich gegenseitig auf die Schulter klopfen. Diese Eine-grüne-Hand-wäscht-die-andere-Seilschaft funktioniert so prima, es ist echt beeindruckend, wenn man mal genauer hinschaut. Denn da gibt es noch das Leitbild Energie und Klimaschutz, 2007 beschlossen, 2014 fortgeschrieben, mit einem zweijährigen Monitoring und Kurzberichten und Auswertungen und diese ganzen CO2-Daten, die man da erheben muss. Wer macht das alles? Na ThINK natürlich, keine Frage. Nicht zu vergessen das Klimaschutzkonzept der Stadt Jena — bitte nicht verwechseln mit der JenKAS! — aber genauso erarbeitet und betreut von ihrem grünen Parteiinstitut des Vertrauens. Selbstredend ist mir das jetzt einfach so aus der Feder gerutscht, denn in Wirklichkeit handelt es sich bei ThINK ja um ein rein privatwirtschaftliches Unternehmen und kein Anhängsel der grünen Partei. Überflüssig zu erwähnen, dass trotz Leitbild und der vielen verschiedenen supidupi bunten Konzepte die Klimaziele fast alle verfehlt wurden. Das ist gut so und stört auch niemanden. Denn dann braucht man viele weitere Projekte und Studien und Gutachten.
Wie sieht es mit Ihrem Blutdruck aus, lieber Leser? Denn ich kann nicht umhin, noch eins draufzusetzen. ThINK hat nämlich erst kürzlich aus Mitteln des Stadthaushalts 25000 Euro erhalten für eine gaaaaaanz wichtige Untersuchung. Das neue Projekt nennt sich Klimaanpassung in Kitas und Schulen. Bei der Präsentation der Ergebnisse im Stadtentwicklungsausschuss brachte man es tatsächlich fertig, dass Wort Tod an die Wand zu projizieren, um die zukünftigen Hitzeopfer im Kindesalter als Drohkulisse aufzubauen. Auffällig auch, dass die präsentierten Kurven der bisherigen Temperaturveränderungen sich nicht besonders stark erheben wollen. Das ändert sich schlagartig, wenn ThINK die Prognose bis 2050 stellt. Dann schnellt das Szenario in einer Weise in die Höhe, dass Jena eigentlich nur noch als glühende Savanne vorstellbar ist (auf einer Karte in überzeugend orange-roten Farben dargestellt). Während kein Metereologe es schafft, mal das Wetter für die nächsten 7 Tage vorauszusagen, guckt ThINK in die Glaskugel und weiß, was in 50 Jahren hier so droht. Respekt! Was, in Gottes Namen, möchte man händeringend fragen, kann man gegen den drohenden Hitzetod unserer Kinder in den Kitas und Schulen tun? Ich meine, außer ThINK für viele weitere Untersuchungen zu beauftragen? Der Vertreter des Instituts hat für uns atemberaubende Erkenntnisse parat: Bäume auf Schulhöfen wirken verschattend und sollten hin und wieder bewässert werden, Sonnensegel wirken auch verschattend, begrünte Dächer kühlen die darunter befindliche Etage ab, helle Fassaden sind besser als dunkle, "blaue Elemente" wären gut. Man muss an heißen Tagen auch nicht im Klassenzimmer bleiben, sondern könnte in den Flur oder den Garten ausweichen, so einer vorhanden ist. Da wäre ja nun niemand von allein drauf gekommen! Da braucht man Experten dafür, vor allem gutbezahlte. Bei Kita-Leiterinnen und Schuldirektoren nachzufragen, wäre nicht annähernd so erfolgversprechend gewesen. Gut, dass es Klimaschützer gibt, die den Leuten vor Ort erklären, warum es bei ihnen in der Einrichtung zu heiß ist.
Dieser Tage sind übrigens wieder Bäume gefallen, an der Leipziger Straße. Erstaunlich, dass die ganzen teuren und exklusiven Erkenntnisse des grünen Klimainstituts den Motorsägen-Leuten von KSJ piepegal sind. Die lesen da auch nicht vorher nach, wenn sie mal wieder Bäume so "pflegen", dass hinterher nur noch der Stamm übrig bleibt. Wahrscheinlich kennen die ThINK nicht mal und die wiederum auch nicht die Motorsägen-Leute. Das macht aber nichts. Hat ja keiner gesagt, dass ein grünes Stadtentwicklungsdezernat gut für Grünzeug in der Stadt sein muss. Eher hilfreich für Beziehungen und ... hust ... gegenseitige Hilfe und Unterstützung. Bin schon ganz gespannt, was so als nächstes beauftragt wird. Vielleicht die Klimaanpassungsstrategie für grüne Parteikonten, wer weiß.
Nicht dass ich es vergesse: Jena ist übrigens auch Klimaaktive Kommune. ((Man wollte auch gern einen Klimaschutzmanager. Dessen Stelle sollte aus Fördermitteln, sprich Steuergeldern bezahlt werden. Die Förderung wurde aber abgelehnt. Es wäre spannend gewesen zu sehen, wen man da vollversorgen wollte.)) Das ist nachvollziehbar, aktiv sind hier so manche. Und wenn das Parteibuch stimmt, klingelt die Kasse. Das ist doch schön. So geht Kommunalpolitik. So geht grün. Es wäre doch richtig schade, wenn man feststellen würde, dass die Temperaturen gar nicht mehr so richtig steigen wollen, oder? ((https://www.eike-klima-energie.eu/2014/02/10/klimawandel-in-deutschland-real-sinken-seit-25-jahren-die-temperaturen/)) / ((https://wobleibtdieglobaleerwaermung.wordpress.com/)) / ((https://de.sott.net/article/13994-Klimawandel-in-Deutschland-Real-sinken-seit-25-Jahren-die-Temperaturen-Teil‑1)) / ((https://de.sott.net/article/14049-Klimawandel-in-Deutschland-Real-sinken-seit-25-Jahren-die-Temperaturen-Teil‑2))
Fotos: Baumfällung an der Leipziger Straße — Mit freundlicher Genehmigung von Dominik Schiefer