Mauerimpressionen
Am 13. August 2011 jährte sich der Mauerbau in Berlin zum fünfzigsten Mal. Eher zufällig als gezielt zu diesem Anlaß machte ich einen Tag später einen Gang durch die Mühlenstraße an der East Side Gallery entlang. Nach der aufwändigen Restauration der Bemalung nimmt man eher die Kunstwerke wahr als sich über die vor einem stehende Mauer und die Teilung Berlins Gedanken zu machen. Der Touristentrubel tut sein Übriges. Viele der Bilder kommen im leicht naiven "Che-Guevara-Look" daher, andere dagegen sind surrealistisch, mehrschichtig und überfallen den Betrachter nicht gleich mit allzu eindeutigen Botschaften. Was ich jedoch besonders interessant fand, ist die unentwegt stattfindende Verwandlung der Mauerkunst durch Graffiti, Schriftzüge, Krixeleien, Signaturen ... mit denen die Originale nicht zerstört, sondern eher noch aufgewertet werden.
Durch die Augen und Hände vieler Menschen entstehen so Meta-Kunstwerke, unterbewußt, absichtslos, abstrakt, synkretistisch. Zusammen mit der nur noch als Anschauungsobjekt stehengebliebenen Mauer bekommt man ein Gefühl dafür, wie sehr unsere Realität in Verwandlung und Fluss begriffen ist. Und so wie diese ursprünglich der Abschreckung und Abgrenzung zugedachten Betonflächen durch Farben und Strukturen aufgewertet wurden und wieder verändert, überschrieben werden und verfallen, so gehen auch Oligarchien, Regime, Staaten und Ideologien im Strom der Zeit dahin, egal wie tausendjährig sie sich auch immer wähnten oder noch wähnen.