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Grüninselverbund und Katalysator

Grüninselverbund und Katalysator

14. März 2012 Comments 0 Comment
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Von gelähm­ten Volks­ver­tre­tern und
schil­lern­dem Manager-Neusprech

Am 13. März fand im Jena­er Stadt­spei­cher die ers­te öffent­li­che Inves­to­ren-Prä­sen­ta­ti­on zur Eich­platz­be­bau­ung statt. Die Ein­la­dung an die Bür­ger erging von der Stadt­ver­wal­tung, die in Gestalt von Ver­tre­tern aus dem Dezer­nat für Stadt­ent­wick­lung und KIJ selbst die Ver­an­stal­tung mode­rier­te. Der Abend begann mit einem Eklat, als Arne Petrich als Medi­en­ver­tre­ter und Redak­teur von Jen­a­po­lis in einer rüden Art und Wei­se auf­ge­for­dert wur­de, auf Bild- und Ton­auf­nah­men zu ver­zich­ten oder den Raum zu ver­las­sen — was die­ser kon­se­quen­ter­wei­se auch tat und die Pres­se­frei­heit gleich mit­nahm. Ist ja nicht so schlimm, wir befin­den uns immer­hin im Jena des Jah­res 2012. War­um man nicht wenigs­tens die offi­zi­el­le Prä­sen­ta­ti­on von ECE auf­zeich­nen las­sen woll­te — wo es doch um eine gewünsch­te, mög­lichst brei­te Infor­ma­ti­on der Bür­ger geht — bleibt eine der vie­len offe­nen Fra­gen in die­sem Ver­fah­ren. Fra­gen, die sich die Stadt nicht bemüht zu beant­wor­ten. Man darf ver­mu­ten, dass sie ihre Grün­de dafür hat. 
Zwei Stadt­rä­te, gleich­zei­tig Mit­glie­der der Eich­platz-Jury, ver­wahr­ten sich mit ärger­li­chem Gesicht dage­gen, als Stadt­rä­te anwe­send zu sein. Nein, natür­lich wären sie heu­te abend "nur Bür­ger". Und ach ja, als Jury-Mit­glie­der könn­ten sie auch nichts sagen, weil sie mit einer spe­zi­el­len Geschäfts­ord­nung auf Ver­trau­lich­keit ver­pflich­tet wor­den wären. Autsch, wie pein­lich. Da sie also qua­si nichts zu sagen hat­ten, kön­nen wir also unse­re gewähl­ten Volks­ver­tre­ter an die­ser Stel­le gleich wie­der ver­ges­sen. Obwohl, eigent­lich müss­ten es bei einem Bau­vor­ha­ben die­ser Grö­ße mit­ten im Zen­trum der Stadt gera­de die Stadt­rä­te sein, die den ange­hen­den Inves­to­ren (die nie­mand nomi­niert hat) die unbe­quems­ten Fra­gen stel­len und sie im Inter­es­se der wei­te­ren Stadt­ent­wick­lung löchern, was das Zeug hält. Statt­des­sen wird eine gro­ße flau­schi­ge Decke der Geheim­nis­krä­me­rei über alles gebrei­tet, die außen ein schö­nes bun­tes Mus­ter an (angeb­li­cher) Bür­ger­be­tei­li­gung zeigt, unter der aber alles mög­li­che Unbe­kann­te und Ver­schwie­ge­ne statt­fin­det, von dem nie­mand weiß oder wis­sen will, geschwei­ge denn wis­sen darf. Jüngst hat ein Stadt­rat im Zuge einer Infor­ma­ti­ons­an­fra­ge die Unter­la­gen zur Eich­platz-Jury ange­for­dert und ist bei der Stadt­ver­wal­tung prompt abge­blitzt. ((www.jenapolis.de/2012/03/oberburgermeister-schroter-spd-verweigert-unterlagen-zum-jury-verfahren-eichplatz/)) Wo kämen wir denn da hin, wenn sich Stadt­rä­te ein­fach so infor­mie­ren könn­ten wie sie wollen?
Die anwe­sen­den jun­gen, smar­ten, erfolgs­ge­wohn­ten Mana­ger und Archi­tek­ten von ECE mach­ten ihre Sache wirk­lich gut. Sie tisch­ten den Anwe­sen­den einen bun­ten Blu­men­strauß an Mär­chen, Publi­ci­ty-Gags und Neu­sprech auf, dass einem nur so die Ohren rausch­ten. So wur­de immer wie­der dar­auf hin­ge­wie­sen, dass man ja kein Ein­kauf­zen­trum bau­en wöll­te, son­dern eher ein "Han­dels­vier­tel", einen "euro­päi­schen Platz für Jena", der mit dem rest­li­chen Stadt­zen­trum "stark ver­netzt" wäre. Lei­der konn­te man trotz Nach­fra­ge nicht wirk­lich erklä­ren, was denn am Modell so euro­pä­isch ist und auch die Ver­net­zung beschränk­te sich letzt­end­lich dar­auf, dass Mie­ter aus bestimm­ten Wohn­la­gen in die Innen­hö­fe des Neu­baus oder umge­kehrt auf den neu­en klei­nen Eich­platz schau­en kön­nen, Sicht­ach­sen ent­stün­den und Kon­su­men­ten­strö­me um das neue Objekt wahl­wei­se "flu­ten" oder "gelenkt wer­den". Beein­druckt nahm man anhand von auf­fäl­lig grün­flä­chi­gen Zeich­nun­gen zur Kennt­nis, dass ECE "ver­stärkt Grün ins Stadt­zen­trum brin­gen" will und über­sah dabei, dass es sich um Dach­ra­sen und Kübel­pflan­zen in abge­schlos­se­nen, pri­va­ten Innen­hö­fen han­delt, die für die schnö­de All­ge­mein­heit nicht zugäng­lich sind. Soweit geht die Ver­net­zung nun doch wie­der nicht. Otto-Nor­mal­ver­brau­cher kann ja zwei Eta­gen tie­fer sein Geld aus­ge­ben. Mehr braucht's nicht zum Leben. "Pen­ner" will man da aller­dings eher nicht haben, da ist dem armen Kerl bei sei­ner Argu­men­ta­ti­on dann doch noch ein klei­ner Lap­sus raus­ge­rutscht. Natür­lich gehen wir da mit einem ver­ständ­nis­voll-mil­den Lächeln dar­über hin­weg. Die zukünf­ti­ge Kauf-Eli­te der Stadt, unter­wegs zum geho­be­nen Her­ren­aus­stat­ter, wird es dan­ken, wenn man dabei nicht am sozia­len Aus­wurf der Gesell­schaft vor­bei muss.
Es wur­de lang und breit über Fas­sa­den­ge­stal­tung in voll­ende­ten For­mu­lie­run­gen pala­vert, über "funk­tio­na­le Schich­tun­gen", "drei­di­men­sio­na­le Bal­kon­ge­stal­tun­gen", "Kern­zo­nen des Publi­kums­ver­kehrs", "rohes Holz, ja hal­be Baum­stäm­me" und ähn­lich auf­ge­bla­se­nen Schwach­sinn. Jeder, der gewillt ist genau­er hin­zu­se­hen, sieht danach immer noch ein zwei­ge­schos­si­ges Ein­kaufs­zen­trum mit drauf­ge­setz­ten Wohn­ein­hei­ten. Man kann also im Gro­ßen und Gan­zen dort Taschen und Bäu­che fül­len und dafür Geld da las­sen, sonst nichts. Natür­lich wäre die Stadt für Auf­ent­halts­zo­nen und Bän­ke zustän­dig, kei­nes­wegs der Inves­tor — also erfah­rungs­ge­mäß dann halt gar kei­ner. Wie ECE das magi­sche Kunst­stück schaf­fen will, die "Kun­den­strö­me" ledig­lich von außen in die Läden zu locken, um sie nicht wie wil­len­lo­se Spreu in die Shop­ping Mall hin­ein­zu­sau­gen und damit dem rest­li­chen Stadt­zen­trum und Ein­zel­han­del zu ent­zie­hen, bleibt ein Geheim­nis. Ins­be­son­de­re wenn man bedenkt, dass es ja noch eine kom­plet­te zwei­te Eta­ge im Cen­ter mit Läden und kauf­wil­li­gen Kun­den zu befül­len gilt.
Natür­lich muss das Gan­ze wirt­schaft­lich sein. Ist ja klar. Mit ande­ren Wor­ten, ordent­lich Geld abwer­fen. Für die Stadt aller­dings wohl weni­ger. Auf die Fra­ge, ob die Stadt schon mal dar­über nach­ge­dacht hat, dass bun­des­weit agie­ren­de Han­dels­ket­ten ihre Gewer­be­steu­er an ihrem Fir­men­sitz abfüh­ren und nicht in Jena, kam die außer­or­dent­lich intel­li­gen­te Ant­wort, man wäre ja nicht das Finanz­amt. Glück­wunsch! Man darf begeis­tert in die Hän­de klat­schen. Auf die wirk­lich wesent­li­che Fra­ge, wie fast 15000 m2 neue Ver­kaufs­flä­che den rest­li­chen Ein­zel­han­del in Jena beein­flus­sen wer­den und wel­che Aus­wir­kun­gen das über­haupt auf die Stadt hat, gab KIJ zum Bes­ten, es gäbe ein Kon­zept und die Aus­wir­kun­gen für Jena wären nicht nega­tiv. Im Jury-Wett­be­werb um die inhalts­lo­ses­ten Aus­sa­gen wür­de die Stadt­ver­wal­tung Jena ohne Fra­ge den ers­ten Preis gewin­nen. Von wel­chem Kon­zept ist hier die Rede, wel­che Unter­su­chun­gen und Pro­gno­sen wur­den denn gemacht, wo kann man die nach­le­sen? Ach ja, ich ver­gaß — ist ja alles geheim.
Wie in vie­len ande­ren Städ­ten mit ECE-Cen­tern, ins­be­son­de­re denen unter 250000 Ein­woh­nern, wird es ver­mut­lich auch in Jena zu erheb­li­chen Ver­wer­fun­gen kom­men, was die gegen­wär­ti­ge Ein­zel­han­dels­struk­tur anbe­langt. Ein rui­nö­ser Wett­be­werb, Plei­ten und lee­re Innen­stadt­rand­la­gen sind vor­pro­gram­miert. Im ECE-Neu­sprech wird daher aus dem Innen­stadt-Kon­sum­tem­pel, der Men­schen gie­rig abzieht und bin­det, ein "Kata­ly­sa­tor" — für was oder wen auch immer, möch­te man anfügen.
Wie man in den letz­ten Wochen zwi­schen den Zei­len her­aus­hör­te, träu­men unse­re Stadt­obe­ren mitt­ler­wei­le von der Metro­po­le Jena mit über 150000 Ein­woh­nern. Abge­se­hen davon, ob die­se Fan­tas­te­rei­en über­haupt gut für eine Stadt wie Jena sind, stellt sich die Fra­ge, was denn in Zukunft beson­ders vie­le jun­ge Fami­li­en mit Kin­dern in die­se Stadt zie­hen soll. Nur so wäre ja ein über­durch­schnitt­li­cher Bevöl­ke­rungs­zu­wachs über­haupt denkbar.
Das nord­rhein-west­fä­li­sche Minis­te­ri­um für Bau­en und Ver­kehr hat bereits 2008 in einem "Bericht zur Stadt­ent­wick­lung" dar­auf eine wich­ti­ge Ant­wort gege­ben, die ich hier im Ori­gi­nal zitie­re: "Im zuneh­men­den Wett­be­werb der Städ­te um Ein­woh­ner spie­len die Grün- und Frei­raum­qua­li­tä­ten eine immer grö­ße­re Rol­le. Die Stadt­flucht von jun­gen Fami­li­en und gut ver­die­nen­den Bürgern ins Umland wird nur zu ver­hin­dern sein, wenn es gelingt, vor­han­de­ne Grün‑, Frei­raum und
Spiel­qua­li­tä­ten — auch in den Innen­städ­ten — zu sichern und aus­zu­bau­en. Dabei ist der Frei­raum nicht nur unter öko­lo­gi­schen Gesichts­punk­ten, son­dern immer mehr auch unter bau­kul­tu­rel­len und ästhe­ti­schen Gesichts­punk­ten sowie für die Frei­zeit­ge­stal­tung bedeut­sam. Eine Poli­tik für Kin­der und Jugend­li­che muss Raumansprüche und Planungswünsche
von Kin­dern und Jugend­li­chen berücksichtigen und die Städ­te „bespiel­bar“ machen." ((www.mbv.nrw.de/Staedtebau/container/BerichtStadtentwicklung2008.pdf))
Autsch, möch­te man zum zwei­ten Mal ver­zwei­felt aus­ru­fen. Jena gibt sich gera­de erheb­li­che Mühe, die "Grün- und Frei­raum­qua­li­tä­ten" sei­ner Innen­stadt zu zer­stö­ren und wird damit per­spek­ti­visch gese­hen unat­trak­ti­ver für Fami­li­en mit Kin­dern. Das ist logisch und ver­ständ­lich, wer­den sich doch Eltern mit ihren Jüngs­ten in Innen­städ­ten auf­hal­ten, wo man sich nicht auf Schritt und Tritt dem Kon­sum­zwang unter­wer­fen muss, wo es Parks, Grün­flä­chen und Spiel­plät­ze gibt und unre­gle­men­tier­ten öffent­li­chen Raum für Kom­mu­ni­ka­ti­on, Tref­fen, Frei­zeit und Kultur.
Wenn also dem­nächst unse­re Stadt­rä­te und Stadt­ver­wal­ter wie­der mit den hei­li­gen Inves­to­ren zusam­men­sit­zen und dabei wie die Kanin­chen vor der Schlan­ge in eine unge­sun­de Gelähmt­heit ver­fal­len, soll­ten sie sich bewußt machen, dass Jenas Innen­stadt nach dem der­zei­ti­gen Pla­nungs­stand in der gol­de­nen städ­te­bau­li­chen Zukunft nur eines zu bie­ten haben wird: die Wahl, ob ich jetzt als nächs­tes zu P & C oder doch lie­ber erst zu Mar­co Polo gehe. Wenn dann die jet­zi­gen Pla­ta­nen aus dem Gedächt­nis der Bevöl­ke­rung getilgt sind, kann ich mich dabei aber immer­hin im Rah­men des "Grün­in­sel­ver­bunds" von Kübel­strauch zu Kübel­strauch han­geln und mich an der "Nach­hal­tig­keit" des Cen­ter-Baus erfreuen. 


Jena, Kommunalpolitik
Stadtentwicklung, Stadtverwaltung, Jena, Kommunalpolitik, Stadtrat, Transparenz, Eichplatz

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