Rede auf der Eichplatz-Demo
am Mittwoch, den 25. April 2012 vor dem Rathaus der Stadt Jena
Mein Name ist Frank Cebulla.
Ich spreche für die Piratenpartei, die auch einer der Initiatoren dieser Veranstaltung ist.
Liebe Bürgerinnen und Bürger,
Demonstrationen fallen nicht vom Himmel. Sie werden nicht organisiert, weil sich Bürger mal eben so überlegen, morgen als diffamierte Wutbürger auf Straßen und Plätzen zu stehen und Radau zu machen.
Demonstrationen haben immer eine Vorgeschichte.
Die Vorgeschichte dieser Demonstration besteht immerhin aus
• zwei abgelehnten Bürgerbegehren zur Eichplatz-Bebauung
• aus Aufzeichnungsverboten auf öffentlichen Bürgerversammlungen
• aus einem Gutachten in einer Behörden-Schublade, aus dem nicht mal zitiert werden darf.
• die Vorgeschichte besteht aus einer Jury, deren Arbeitsergebnisse plötzlich in der Öffentlichkeit ganz anders dargestellt werden.
• aus über 300 Einwänden zu einem B‑Plan, die mit teilweise hanebüchenen Ausreden vom Tisch gewischt wurden.
• sie besteht auch aus einem Bürgermeister, der Mitglied einer konzernnahen Lobby-Stiftung ist und dann werden uns prompt die Pläne dieses Konzerns als angeblicher Finalist präsentiert.
• sie besteht aus Jury-Protokollen, in die nicht mal ein gewählter Stadtrat Einsichtsrecht hat und aus dem Schweigen der anderen Stadträte zu diesem ungeheuerlichen Vorgang.
Bürger stehen nicht einfach so auf Plätzen. Sie machen dann ihrem Unmut Luft, wenn es gravierende Gründe dafür gibt.
Die Stadt macht es sich derzeit sehr einfach. Kommunales Eigentum, also unser aller Eigentum, wird mal schnell und einfach so verkauft und verscherbelt. Das Zentrum dieser Stadt aus den Augen, aus dem Sinn unserer Stadtoberen? Welchen Sinn soll das denn machen?
Wie kurzsichtig muss man eigentlich denken, um für einen kleinen Zustrom von Geld in die Haushaltskasse das eigene Stadtzentrum Betonklotz-Architekten und Herrenausstattern zu überlassen??? Wo bleiben an dieser Stelle die Visionen in der Stadt für Fortgeschrittene? Wo bleiben die zukunftsweisenden Konzepte in der Lichtstadt? Ist ein Einkaufscenter das Einzige, was wir uns selbst, unseren Kindern und Enkeln zu bieten haben? Wie dürftig, liebe Bürgerinnen und Bürger, wie dürftig!
Menschen können nur über etwas nachdenken, worüber sie auch ausreichendes Wissen haben. Nur auf der Basis von Wissen kann man verantwortungsbewusste und sachdienliche Entscheidungen treffen. Wird deswegen alles geheim gehalten, hinter verschlossenen Türen verhandelt – weil man vielleicht gar nicht daran interessiert ist, die Bürger dieser Stadt wirklich mitentscheiden zu lassen, weil die Pläne möglicherweise schon längst feststehen?
Erst gestern hat der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar öffentlich an das Informationsfreiheitsgesetz erinnert und die Behörden in diesem Land aufgefordert, mit der Heimlichtuerei aufzuhören, freiwillig von sich aus den Bürgern mehr Informationen zur Verfügung zu stellen und transparent zu handeln und zu entscheiden. Irgendwie scheint diese so wichtige Botschaft unserer Zeit in unserer Stadt nicht anzukommen. Wir fordern die Stadtverwaltung auf, endlich alle für den Eichplatz relevanten Fakten und Dokumente auf den Tisch zu legen! Ein Eigenbetrieb ist keine Geheimgesellschaft, sondern ein Dienstleister im Interesse der Stadt und ihrer Bürger. Schluss mit der ewigen Hinterzimmerpolitik, ein für allemal!
Wenn es um die Überwachung der Bürger geht, um fragwürdige Sicherheitsgesetze und die Einschränkung der bürgerlichen Freiheiten, dann heißt es immer: wer nichts zu verbergen hat, braucht auch nichts zu befürchten. OK, dann drehen wir hiermit den Spieß mal um und fragen unsere Stadtoberen, was sie denn zu verbergen haben und wovor sie sich eigentlich fürchten?
Transparenz bedeutet Klarheit und Durchblick bei allen Dingen, die für uns als Bürger wichtig und relevant sind. Wenn dieser Durchblick absichtlich verwehrt wird, dann kann irgendetwas nicht stimmen. Gewählte Volksvertreter, die nicht mehr das Volk vertreten, sondern über die Köpfe der Bürger hinweg nur noch die Interessen, Begierden und die Rendite-Erwartungen von möglichen Investoren im Blick haben, haben ihre demokratische Legitimation verloren. Man kann diese Stadt nicht an den Bürgern vorbeiregieren, auch wenn man sich das noch so schön redet!
In den Medien wurde mit Verweis auf die Wahlergebnisse vom Sonntag diese Demonstration in Frage gestellt. Ich frage mich, mit welchem Recht?
Findet der demokratische Dialog zwischen Politik, Verwaltung und Bürgern in dieser Stadt nur alle 5 Jahre an einem Wahlsonntag statt? Müssen wir uns dafür entschuldigen, dass unser Anspruch an Kommunalpolitik schon etwas mehr bedeutet, als alle paar Jahre mal ein Kreuz auf einem Zettel zu machen? Und wenn wir als Störenfriede wahrgenommen werden, nur weil wir uns nicht auf Stimmvieh reduzieren lassen, nun dann sind wir eben diese Störenfriede. Es ist allemal besser sich einzumischen als im Nachhinein über die Ergebnisse zu lamentieren, die uns dann vor die Nase gesetzt werden.
Machen wir uns nichts vor. Bürgerbeteiligung in Jena heißt oft: Wenn es sein muss, dürft ihr zwar reden, aber es ist uns egal, was ihr sagt.
Heute wird in diesem Rathaus auch wieder so ein Stückchen Bürgerbeteiligung abgestimmt. Es ist von einer repräsentativen Bürgerbefragung zum Eichplatz die Rede.
Zuerst gratuliere ich der Bürgerinitiative Mein Eichplatz, den unermüdlichen Aktivisten und Kritikern – denn ohne diese und den beständigen öffentlichen Druck wäre wahrscheinlich niemand überhaupt auf den Gedanken gekommen, eine solche Bürgerbefragung durchzuführen.
Was heißt denn repräsentativ und was hat das mit wirklicher Bürgerbeteiligung zu tun? Wenn ich 5 oder 10 % der Jenaer Bürger befrage, wie will ich den anderen dann schlüssig erklären, dass sie sich nicht beteiligen dürfen!? Warum ist dann deren Meinung weniger wichtig?
Wir fordern daher ALLEn Jenaer Bürgern die Möglichkeit einzuräumen, sich mit ihrer Meinung und ihrer Kompetenz einzubringen. Dabei muss man auch die Möglichkeit vorsehen, alle zur Abstimmung gestellten Bebauungskonzepte ablehnen zu können. Ansonsten bleibt dem Bürger nämlich nur das Abnicken von Scheinalternativen, die genau zu dem hinführen, was sowieso schon feststeht.
Liebe Bürgerinnen und Bürger, lasst uns laut sein! Laßt uns ordentlich Rabatz machen für mehr Bürgerbeteiligung und mehr Transparenz in unserer Stadt! Jeder, der dieses Rathaus betritt, sollte wissen, dass da draußen Menschen stehen, die das Herz auf dem richtigen Fleck haben und sich den Mund nicht verbieten lassen!
Klarmachen zum Ändern!
Vielen Dank!
One thought on “Rede auf der Eichplatz-Demo”
Gut gebrüllt, Löwe. Wir können es denen nicht oft genug um die Ohren hauen.
Nur das mit den Fahnen müsst ihr noch lernen: unten einen Besenstiel rein und hochhalten. 🙂