Wir können zehn Prozent und mehr!
7 simple Punkte für eine erfolgreiche Piratenpartei in der Bundestagswahl
Pkt. Eins
Es ist irrelevant, ob wir selbst Wert auf innerparteiliche Hierarchien legen oder nicht, die (mediale) Öffentlichkeit tut es für uns. Und wenn wir unsere Bundesvorstände noch so gern als Arbeitstiere und Sachverwalter sehen wollen, sie werden immer unsere Aushängeschilder und Identifikationsmarken sein, an denen wir gemessen werden. Niemand kann sich mit einem Parteiprogramm emotional identifizieren, mit Menschen dagegen schon. Daher müssen wir zwangsläufig und umgehend alle Personaldebatten, Streitigkeiten und Querelen im Bundesvorstand und in anderen wichtigen Gremien der Partei beenden. Da sich die Vorstände offenbar dieser Konsequenz verweigern, muss es die Basis tun. Neuwahl des kompletten Bundesvorstands auf dem Parteitag im Mai. Durchatmen. Neustart.
Pkt. Zwei
Eine große Stärke der Piratenpartei besteht darin, dass sie ihre Kreativität und ihre Kraft aus vielen verschiedenen Menschen völlig unterschiedlicher Weltanschauung, Ausbildung, Herkunft und Berufung bezieht. Die Piraten repräsentieren die Menschen so, wie sie in diesem Land leben, mit ihren Stärken und Schwächen und ihren Sorgen und Ängsten. Entziehen wir all jenen in der Partei die reale oder eingebildete Macht, die die Piratenbewegung nach ihrem Bilde formen wollen. Kein Fußbreit den Ideologen, Agitatoren, Meinungsmachern und Schreihälsen. Euch sind die Piraten nicht links genug? Kein Problem, es gibt weitere Parteien, die deutlich weiter links stehen. Ihr träumt von einer neoliberalen FDP-Ersatzpartei oder der ultimativ-antisexistischen Radikalfeminismuspartei? Nun, noch gibt es die FDP und ihr könnt euch dort austoben oder eine eigene Partei gründen, die bestimmt alle Probleme dieses Planeten lösen wird. Die Piraten brauchen allerdings euren ideologischen Stempel nicht und die Bürgerinnen und Bürger wollen den auch nicht. Führt eure Scheindebatten und heiligen Kriege für oder gegen was auch immer woanders. Kurz zusammengefasst: einfach mal die Kresse halten oder vom Acker machen.
Pkt. Drei
Sich auf das Wesentliche, d.h. das Wesen der Piratenpartei, zu besinnen, ist unumgänglich. Wir streiten für die individuelle Freiheit jedes Einzelnen und seine Vorstellung von Leben, Arbeit und Glück. Wir streiten für den Erhalt und die Weiterentwicklung der Demokratie im Sinne der Beteiligung und Mitbestimmung möglichst vieler Menschen. Wir streiten für möglichst freien Zugang zu Wissen, Bildung und Information. Wir setzen uns nicht zuletzt für einen sozialen Ausgleich ein, der es jedem Menschen ermöglicht, an der Gesellschaft und ihren Errungenschaften teilzuhaben. Wir sind kompromisslose Gegner des Überwachungsstaats und seinen Auswüchsen. Wir kämpfen gegen Datenmissbrauch, Hinterzimmerpolitik, Korruption, Lobbyismus und die Hybris der derzeit herrschenden Politkaste. Mit uns wird es keinen weiteren Abbau von Bürgerrechten geben. Punkt.
Pkt. Vier
Wir sind die mit den Fragen, ihr seid die mit den Antworten! Schon vergessen? Hören wir mit dieser sinnlosen programmatischen Krümelkackerei auf. Hören wir auf, unsere Ressourcen und unsere Energie und Zeit damit zu verschwenden, jedes Detailproblem, jede gesellschaftliche Einzelfrage, jede aktuelle politische Debatte im Programm abbilden zu wollen. Es sollte für jeden klar wie Kloßbrühe sein, dass wir für den Inhalt von Pkt. Drei stehen. Alles andere kann man daraus ohne jede Mühe ableiten. Doch das Fragen müssen wir neu lernen. Wir machen Politik nicht als Selbstzweck, sondern für die Menschen in Deutschland, letztendlich für alle Menschen auf diesem Planeten. Wenn wir nicht wissen, was diese Menschen wollen, dann müssen wir uns dorthin begeben, wo diese Menschen sind und immer wieder neu fragen. Mehr Demokratie, mehr Mitbestimmung, Bürgerbegehren, Volksentscheide, Ratsbegehren, Bürgerversammlungen und ‑foren, Zukunftswerkstätten, Bürgerhaushalte, Befragungen, Bürgerportale im Internet usw. sind ein guter Weg dahin. Wer Angst vorm Bürgerwillen hat, ist bei den Piraten fehl am Platz.
Pkt. Fünf
Schluss mit dem Kuschelkurs. Wie wäre es endlich mal mit klaren Ansagen gegenüber denjenigen, die unser Land immer weiter in die Scheiße reiten? Schluss mit den glattgebügelten Pressemitteilungen, die sowieso niemand liest. Schluss mit dem "Wir sind jetzt auch Politiker"-Gebaren. Schluss mit der Langweiligkeit, Bravheit, der Angepasstheit und der Zurückhaltung. Wovor haben wir Angst? Die Leute erwarten von uns deutliche Worte und keinen rhetorischen Dünnschiss. Wenn wir uns wie herkömmliche Politiker verhalten, brauchen wir uns auch nicht wundern, wenn die Politikerverdrossenheit uns genauso trifft. Niemand braucht eine weitere Partei wie alle anderen. Wir haben jedes Recht der Welt, denjenigen einzuheizen, die uns unsere Freiheit und unsere Bürgerrechte nehmen wollen! Wann rufen wir den L.m.a.A.-Day für Deutschland aus?
Pkt. Sechs
Leider neigen wir dazu, des öfteren das Werkzeug mit dem Ziel zu verwechseln. Abstimmungstools, Social Media, Liquid Democracy, Mumble, Pads & Co. sind kein Selbstzweck, sondern hervorragende Mittel zur Verwirklichung und Umsetzung unserer politischen Inhalte. Politische Sauereien schafft man jedoch nicht dadurch ab, dass man ein paar Tweets dazu absetzt. Wir können nächtelang im Mumble diskutieren und am nächsten Morgen stehen wir vor genau denselben Problemen wie am Tag zuvor. EmpörtEuch-Wellen können manchmal etwas bewirken, aber in der Regel schaffen sie nur den Empörten ein gutes Gewissen. Sich in piratigen Filterbubbles zu bewegen, macht Spass und bestätigt die eigene Sicht der Dinge. Aber Menschen, die uns wählen sollen (und eigentlich sogar wollen!), erwarten uns nicht im Liquid Feedback und nicht in der Ständigen Mitgliederversammlung. Sie erwarten uns an Infoständen, auf Bürgerversammlungen und Diskussionsveranstaltungen, auf Demonstrationen, auf Stammtischen, in Kommunalparlamenten und Bürgerinitiativen — an ihrer Seite.
Pkt. Sieben
Kokettieren mit dem Verliererstatus ist kontraproduktiv. Sind wir überhaupt bereit für die Verantwortung? Wir wollen die Demokratie retten, aber nicht an ihr teilnehmen? Wir wollen in eine Bundestagswahl gehen und gleichzeitig so tun, als hätten wir die Teilhabe an der politischen Macht nicht nötig? Wir sind nicht ohne Grund eine Partei geworden. Dies bringt die Aufgabe und den Anspruch mit sich, das politische System von innen her umzukrempeln. Dies können wir nur in den Parlamenten tun, dort wo täglich die Entscheidungen für unsere Zukunft getroffen werden. Sind die Wähler von uns enttäuscht, liegt das nicht am Wähler (und auch nicht an der Presse), sondern an uns. Die Piraten sind nicht vom Himmel gefallen und auch keine Kunstschöpfung. Sie sind Ausdruck eines gesellschaftlichen Wandlungsprozesses, der in seiner Bedeutung kaum zu überschätzen ist. Wir können die Aufgabe annehmen und mit Herz und Verstand für einen positiven Horizont dieses Prozesses streiten — oder wir können versagen und zu einer Randnotiz der Geschichte werden. Jeder kann sich überlegen, was er bevorzugt.
Ich plädiere deutlich für die erste Option.
8 thoughts on “Wir können zehn Prozent und mehr!”
Überraschend deutlich formuliert, gut gewürzt und durchaus korrekt.
Danke Frank!
100% Zustimmung.
Liebe Piraten,
Geht es auch ein bisschen kleiner als die Welt zu retten. Die Wähler erwarten zu Recht konkrete Antworten und nicht nur Fragen. Die wenigen Antworten, die die Piraten dann geben z. B. Bedingungsloses Grundeinkommen sind dann so populistisch und blauäugig, dass es dem in Grundrechenarten sicheren Bürger graust. Beweist Euch in der Kommunalpolitik, wo Ihr zeigen könnt, dass Ihr die konkreten Probleme der Mehrheit der Bürger ansatzweise lösen könnt, dann sollten Sie über Landesparlamente und den Bundestag nachdenken.
10%? Ich will ca 25% + Ausgleichsmandate, sonst komm ich ja nicht rein 🙂 Aber klar können wir das!
Pkt eins.
Das Verhalten der Medien ist Gesetz und wird sich niemals ändern.
Pkt zwei.
Piraten sind Mörder und Verbrecher die Schiffe überfallen.
Danke Frank!
... nichts hinzuzufügen! 🙂
Danke.....