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Alle tun es — nur Lehrer nicht!

Alle tun es — nur Lehrer nicht!

5. Juni 2014 Comments 1 comment
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Die deut­schen Päd­ago­gen sind empört, ja sogar "alar­miert". Nein, nicht über die deso­la­te Finan­zie­rung der Schu­len und ande­ren Bil­dungs­ein­rich­tun­gen in die­sem Land, auch nicht über feh­len­de Aus­stat­tung, Com­pu­ter, Lehr­bü­cher und Anschau­ungs­ma­te­ria­li­en. Erst­recht nicht über die kata­stro­pha­le Toi­let­ten-Situa­ti­on in deut­schen Schu­len oder unge­nieß­ba­res Schu­les­sen. Noch nicht ein­mal über Poli­ti­ker, die lie­ber 300 Mil­lio­nen Euro in die Sta­si-Groß­macht­phan­ta­sien des BND inves­tie­ren statt in die Zukunft unse­rer Kin­der. Was den Leh­rern den Schlaf raubt und ihnen den mora­lin­sauren Schweiß auf die Stirn treibt, sind die gefähr­li­chen Abgrün­de der Online-Enzy­klo­pä­die Wiki­pe­dia.

In einer kürz­lich ver­öf­fent­lich­ten Stel­lung­nah­me hat näm­lich der Deut­sche Leh­rer­ver­band  in der Wiki­pe­dia "Por­no-Links" aus­ge­macht und sieht nun die see­li­sche Gesund­heit, Leib und Leben unse­rer Kin­der in Gefahr. Bei genaue­rem Hin­se­hen grei­fen die immer­fort Besorg­ten auf eine Recher­che des "Bil­dungs­ma­ga­zins" News4Teachers zurück, bei der in den ver­ab­scheu­ungs­wür­di­gen Untie­fen des all­zeit üblen Inter­nets Erschre­cken­des ent­deckt wur­de. So bie­tet bei­spiels­wei­se das Stich­wort Eja­ku­la­ti­on nicht nur eine aus­führ­li­che Erklä­rung des phy­sio­lo­gi­schen Vor­gangs, gesund­heit­li­che Aspek­te, Begriffs­klä­run­gen, Ein­zel­nach­wei­se und Web­links an (Ooooh!!!), son­dern zeigt das Gan­ze auch in einer Foto­se­rie (Gott!!!). Den Gip­fel der Scham­lo­sig­keit bil­det jedoch ein Ver­weis auf eine Sei­te der Medi­en­da­ten­bank Wiki­me­dia Com­mons, die zum Stich­wort unter ande­rem auch Vide­os bereit­hält (Nein!!!). Das kann man/frau/kind natür­lich auch mit ande­ren Stich­wor­ten aus dem Bereich der geni­ta­len Ana­to­mie oder des mensch­li­chen Sexu­al­ver­hal­tens aus­pro­bie­ren und erhält so einen nicht immer hoch­qua­li­ta­ti­ven, aber doch reprä­sen­ta­ti­ven, manch­mal auch skur­ri­len Anschau­ungs­un­ter­richt zu die­sen inter­es­san­ten Din­gen des Lebens.

Bei dem Gedan­ken, dass ein Arti­kel über die Vul­va auch Vul­vas zeigt, einer über den Anus mun­ter diver­se Popos abbil­det und unter dem Stich­wort Hen­tai auch wirk­lich Hen­tai zu fin­den ist, wird dem Leh­rer nach deut­schem Rein­heits­ge­bot übel. Das konn­te man so nun wirk­lich nicht erwar­ten. Statt­des­sen hät­te man ja farb­re­du­zier­te Sche­ma­ta, abs­tra­hier­te Strich­zeich­nun­gen oder Bie­nen, Schmet­ter­lin­ge und Blü­ten­staub abbil­den kön­nen. Die­ses unter päd­ago­gi­schen Gesichts­punk­ten abso­lu­te Fehl­ver­hal­ten gei­ßelt der Prä­si­dent des Deut­schen Leh­rer­ver­ban­des Josef Kraus mit den Wor­ten, es sei "höchs­te Zeit, dass Wiki­pe­dia als Aus­weis ver­meint­li­cher Schwarm-Intel­li­genz ent­zau­bert wird".

Nun wis­sen wir ja — auch ohne Wiki­pe­dia -, dass es kei­ne Tugend ist, die eige­ne Blöd­heit so weit her­aus­hän­gen zu las­sen, aber nichts­des­to­trotz kann man aus der­ar­tig ver­zwei­fel­ten Pro­test­no­ten des Bie­der­mei­er-Bür­ger­tums noch eini­ges ler­nen. Zum Bei­spiel, dass man das, was man selbst nicht ver­steht, am bes­ten zum Bösen an sich erklärt. Da ist das Inter­net, das immer an allem schuld ist. Da sind frei zugäng­li­che digi­ta­le Medi­en, aus denen man sich nach eige­nem Gut­dün­ken infor­mie­ren kann, ohne einen Leh­rer vor­her fra­gen zu müs­sen. Da ist der Anspruch eines eifer­süch­tig gehü­te­ten Bil­dungs­mo­no­pols, das es so schon lan­ge nicht mehr gibt und viel­leicht nie gege­ben hat. Natür­lich bekom­men wir — wie­der ein­mal — unter die Nase gerie­ben, dass Sex böse ist und einer gesun­den Ent­wick­lung abträg­lich und wie groß die Igno­ranz gegen­über einem gan­zen Sta­pel von Unter­su­chun­gen sein kann, die das Gegen­teil nach­wei­sen. Wir ler­nen etwas dar­über, dass der mit­tel­al­ter­li­che Sün­den­pfuhl der schmut­zi­gen Leib­lich­keit im 21. Jahr­hun­dert ganz säku­lar und modern ver­packt daher­kom­men kann. Wir ler­nen auch, dass Leh­rer nur bedingt lern­fä­hig sind. Nun ja, das ist kei­ne Neu­ig­keit. Wir sind ja alle auf irgend­ei­ne Schu­le gegangen.

Schon vor 3000 Jah­ren haben die Men­schen Abbil­dun­gen eri­gier­ter Phal­li auf Fels­plat­ten geritzt und eine der ers­ten figür­li­chen Wer­ke über­haupt ist die Dar­stel­lung einer Frau mit gro­ßen Brüs­ten und einem präch­ti­gen Schlitz. Der aus Stein geform­te Phal­lus von Schel­klin­gen ist 30000 Jah­re alt. Aber­tau­sen­de von Genera­tio­nen haben ihren eige­nen Aus­druck von Sexua­li­tät und Lust gesucht und genos­sen, ihre eige­ne Art von Dok­tor­spie­len gespielt, Kin­der gezeugt und Zeu­gun­gen ver­hü­tet, Lie­bes­in­stru­men­te ange­fer­tigt und jed­we­de denk­ba­re Metho­de der Befrie­di­gung in die Tat umge­setzt, beschrie­ben, erzählt, besun­gen oder abge­bil­det. Aber ihr klei­nen erbärm­li­chen Leh­rer­lein des Jah­res 2014 in eurem bie­de­ren Jam­mer­ver­ein wollt uns und unse­ren Kin­dern immer noch erzäh­len, was mora­lisch gerecht­fer­tigt ist und was nicht. Dank Wiki­pe­dia kann sich nun jeder frei dar­über infor­mie­ren, was für ein wun­der­vol­les Organ eine weib­li­che Kli­to­ris ist oder dass bereits männ­li­che Föten Erek­tio­nen haben kön­nen. Die von euch scham­voll zurecht­ge­bo­ge­nen, klei­nen Vorsicht‑, Angst- und "Ich weiß was gut für dich ist"-Häppchen eures Sexu­al­kun­de-Unter­richts kön­nen da wohl lei­der nicht mit­hal­ten. Das ist nicht unse­re Schuld und erst­recht nicht die unse­rer Kinder.

Lie­ber Josef Kraus, lie­be Leh­rer des Deut­schen Leh­rer­ver­ban­des. Wenn Sie mal wie­der — selbst­ver­ständ­lich nur aus päd­ago­gisch-kri­ti­schen Aspek­ten — sich über rich­tig üble Por­no­gra­fie erzür­nen wol­len, dann müs­sen Sie nicht das Inter­net und schon gar nicht die bra­ve Wiki­pe­dia bemü­hen. Stel­len Sie sich ein­fach zu Hau­se im stil­len Käm­mer­lein vor einen aus­rei­chend gro­ßen Spie­gel und las­sen die Hose herunter.

Und wenn Sie mal wie­der — neben Ihrer auf­op­fe­rungs­vol­len Tätig­keit zur mora­li­schen For­mung unse­rer Kin­der — ganz viel Zeit haben, dann brin­gen Sie sich doch bit­te (bit­te!) ein­fach auf den neu­es­ten Stand in Sachen Sexu­al­ethik, Auf­klä­rung, Medi­en, Infor­ma­ti­ons­tech­no­lo­gie, digi­ta­les Zeit­al­ter, Frei­zeit­ak­ti­vi­tä­ten, sexu­el­le Spiel­ar­ten, Butt­plugs, Man­ga und Ani­me, Com­pu­ter­spie­le, Social Media und zwei Dut­zend wei­te­ren Din­gen, von denen Sie kei­nen blas­sen Schim­mer haben und Kin­der mitt­ler­wei­le mehr ver­ste­hen als Sie.

Dafür schon­mal mei­nen bes­ten Dank. Setzen.


 

Inter­es­sant auch die Kom­men­ta­re zum Thema:
http://www.heise.de/newsticker/foren/S‑Lehrerverband-erzuernt-ueber-Porno-Links-in-Wikipedia/forum-280594/list/

Ergän­zung:
Herr Kraus scheint nicht ganz unbe­leckt im Moral­apos­tel­spie­len zu sein. Als CDU-Mann hat man da so sei­ne Erfahrung.
sie­he: http://www.heise.de/newsticker/foren/S‑DL-Praesident-Josef-Kraus-ist-ein-rechtskonservativer-Fundi-und-CDU-Politiker/forum-280594/msg-25310833/read/


Gesellschaft
Sexualität, Bildung, Lehrer, Pädagogen, Pornografie, Wikipedia

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One thought on “Alle tun es — nur Lehrer nicht!”

  1. Patrizia sagt:
    15. Juni 2014 um 16:42 Uhr

    Es ist immer eine schma­le Grat­wan­de­rung zwi­schen dem, was der Infor­ma­ti­on eines Kindes/Teenagers dient und dem, was der nega­ti­ven Beein­flus­sung durch "Infor­ma­ti­ons­quel­len" Vor­schub leis­tet. Lei­der hat die Online-Enzy­klo­pä­die, an der "jeder" mit­wir­ken kann, nicht das gehal­ten, was sie versprach.
    "Jeder" kann "anonym" mit­wir­ken und mit Hil­fe von Spe­zeles­wir­schaft oder ande­rem Schnick­schnack ALLES in das "Lexi­kon" einfügen.

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