Die besseren Extremisten
Wie man Medienberichten entnehmen konnte, kam es am 12. Dezember im Umfeld einer angemeldeten und genehmigten Neonazi-Demonstration in Leipzig zu Ausschreitungen und Randalen, die von der Polizei und Behörden durchweg als "schwer" eingestuft wurden. Eine Bewertung der Geschehnisse ist sowieso immer dann mit Vorsicht zu genießen, wenn man nicht selbst dabei gewesen ist. Deshalb kann ich hier nichts dazu beitragen, wer wann und in welchem Ausmaß zur Eskalation beigetragen hat und ob nun irgendetwas — wie beispielsweise der Faustschlag eines Polizisten ins Gesicht von Lothar König — wirklich stattfand oder nicht. Was man anhand der zahlreichen ins Netz gestellten Fotos und Videos jedoch sagen kann, ist zumindest, dass die Aktivitäten von Linksautonomen und der Antifa vor Ort kein Kavaliersdelikt waren und auch wenig mit bloßem zivilem Ungehorsam zu tun hatten. 69 verletzte Polizisten an einem einzigen Tag, 23 festgesetzte Demonstranten, dazu 50 beschädigte Dienstfahrzeuge, brennende Autoreifen, Straßenbarrikaden und Mülltonnen, eingeworfene Schaufensterscheiben — das alles spricht seine eigene Sprache. Wer in den sozialen Netzwerken unterwegs ist und nicht von ideologischen Scheuklappen behindert wird, dem fällt die unterschiedliche Rhetorik auf, die im Zusammenhang mit Leipzig gebraucht wird. Die Doppelmoral, die dabei zutage tritt, ist erschreckend und genau das, was mich hier interessiert.
Verunglimpfung des ideologischen Feindes und ein hübsches Maß an Hass ist das Mindeste, was man erwarten darf. So wurde das mickrige Häuflein von gerade mal 150 Nazis mit dem Hinweis auf "zahlreiche gewaltbereite ProtagonistInnen" hochstilisiert und als "teils äusserst aggressiv" bezeichnet. Fakt ist jedoch, dass Gewalt und Aggression an diesem Tag offenbar ausschließlich von den Linken ausgingen. Es entbehrt nicht einer gewissen Absurdität, dass die Rechten offenbar glaubten, im als links geltenden Stadtteil Connewitz aufzumarschieren, obwohl die Demonstration aus Sicherheitsgründen in die Südvorstadt verlegt worden war. Gleichermaßen dämlich lesen sich Antifa-Statements, die den Aufmarsch in Connewitz als Provokation im eigenen Kiez auffassen, obwohl man — wie gesagt — die Nazis vorher umgelenkt hatte.
Nachdem das Entsetzen durch die Medien schwappt, was auf Deutschlands Straßen alles so möglich ist, setzen die immer gleichen Strategien der Ablenkung ein. Wie das geht, ist ganz einfach. Stichwort Verharmlosung: regt euch nicht auf, ein paar brennende Mülltonnen sind doch kein Bürgerkrieg. War doch alles nicht so schlimm. (Über 69 verletzte Polizisten reden wir dagegen nicht. Die sind sowieso selber schuld. Warum sind sie Bullen geworden.) Stichwort Relativierung: Wenn ihr euch schon empören wollt, dann über Angriffe auf Flüchlingsunterkünfte. DIE "attackieren" Flüchtlingsunterkünfte mit Böllern!!!! (Unsere Böller und Brandsätze sind dagegen gute Böller und Brandsätze. Und auch keine Attacke, sondern Notwehr.) Und überhaupt, die Rechten sind sowieso viel schlimmer. DIE sind die wahren Terroristen. Wir machen nur ein bisschen Radau oder reagieren unsere berechtigte Wut ab, wie es so schön in einer linken Veröffentlichung heißt. Und überhaupt — so richtig schmollend — ist die Aufregung über unsere Aktionen ja sooooo viel größer als wenn Rechte "Hunderte von Toten" in Kauf nehmen. Was gewiss nicht stimmt, denn die Empörung über rechte Gewalttaten ist anhaltend groß, mit Recht. Macht aber nix. Stichwort Rechtfertigung: Die Polizei hat uns provoziert, die sind mit unverhältnismäßiger Gewalt vorgegangen. Die schießen mit Tränengas und Wasserwerfern auf friedliebende Demonstranten. Da wurden "willkürlich Menschen eingekesselt"! (Wenn wir dafür in Kabelschächten der S‑Bahn in Connewitz und Plagwitz Feuer legen und vielleicht sogar Bahnunfälle mit vielen Beteiligten provozieren, dann ist das nur recht und billig.) Stichwort Opfer spielen: Wir können da überhaupt nichts dafür, das waren die Anderen, die Nazis, die Legida, die besorgten Bürger, die Polizei sowieso, der Bürgermeister und wer sich sonst noch findet. Oder wie es so schön heißt "Die Stadtverwaltung hat Protest in direkter Nähe des Naziaufmarsches verunmöglicht". Unglaublich, was die sich rausnehmen, da muss ja alles zwangsläufig im Krawall enden, wenn man uns nicht gestattet, den Nazis gleich direkt aufs Maul zu hauen. EXTREM sind dabei immer nur die Anderen: extrem rechts, extrem gewalttätig, extrem aggressiv. Links ist per se gut, selbst wenn dabei ein ganzer Stadtteil im Chaos versinkt.
Es ist ein immer wieder kurios zu lesendes Märchen, dass sich linke Gewalt ja ausschließlich gegen Gegenstände und nicht — wie die von rechter Seite — gegen Menschen richten würde. Fotos von Straßen und Plätzen, die mit Pflastersteinen geradezu übersät sind, sind der Gegenbeweis — insbesondere für alle diejenigen, die gern die Filterbrille aufsetzen. Die dort herumliegenden Steine sind nicht vom Himmel gefallen oder liegen da zufällig herum, sondern wurden als Waffe gegen Polizisten eingesetzt. Ohne Rücksicht auf Verluste und mit dem klaren Willen, Menschen zu treffen. Es gibt auch genügend Videoausschnitte, die das zeigen. Liebe Antifa, ich weiß, ihr seht das anders, aber PolizistInnen sind auch Menschen! Was mir auch klar geworden ist, als ich mir die Videos angesehen habe: Den Gewalttätern war es völlig egal, wer da demonstriert oder aufmarschiert. Hass und Gewalt entladen sich gegenüber dem Staat und den Ordnungshütern, die diesen Staat repräsentieren. Sie entladen sich auch gegen Mitmenschen und deren Eigentum. Ja, sie entladen sich sogar vor einer Flüchtlingsunterkunft. Hauptsache, drauf ballern, irgendwen wird es schon treffen. Wir sind die Helden von der Antifa.
Was haben wir wieder einmal gelernt? Es gibt guten Hass und bösen Hass. Es gibt irgendwie bessere Extremisten, die Gewalttaten aus hehren Motiven heraus verüben. Zumindest glauben sie ganz fest daran. Es ist ein großer Unterschied, ob die Polizei "massiv", "unverhältnismässig" oder mit "körperlicher Gewalt" vorgeht oder mit unverhohlener Bewunderung ein Satz wie "Hunderte Steine hagelten auf Einsatzfahrzeuge und Behelmte nieder." geschrieben wird. Interessant auch, dass auf den Fotos die Gesichter der Rechten klar und deutlich zu erkennen sind, während die der AntifaschistInnen verpixelt werden. Es ist fast überflüssig zu erwähnen, was für einen Bärendienst diese Art von "AktivistInnen" der linken Sache erweist. Aber darauf kommt es ja nicht an. Ideologische Verblendung kann so stark sein, dass selbst die Folgen für die eigenen Ziele keine Rolle spielen. Und wenn sich die Mehrheit schaudernd abwendet, dann ist das nur Bestätigung. Wen interessiert schon, was Otto-Normalbürger darüber denkt, wenn man vom "Volks-Tod" träumt und das eigene Land verachtet und hasst. Die Steuerzahler sind zumindest gern gesehen, da es ja einen geben muss, der die Schäden bezahlt. Bis zur nächsten "Weihnachtsfeier" der Antifa. Mehr Doppelmoral und größere Scheinheiligkeit ist kaum vorstellbar.
Quellen und Links:
- http://www.tagesspiegel.de/politik/schwere-ausschreitungen-in-leipzig-linke-krawalle-zwischen-strassenterror-und-zerstoerungswut/12715572.html
- http://jule.linxxnet.de/index.php/2015/12/statement-zum-12-dezember-2015/
- http://publikative.org/2015/12/12/leipzig-ausschreitungen-und-kein-neonazi-aufmarsch-in-connewitz/#more-45944
- http://www.beobachternews.de/2015/12/13/neonazis-kommen-nicht-bis-connewitz/
- https://www.polizei.sachsen.de/de/MI_2015_39825.htm
- http://www.l‑iz.de/leben/faelle-unfaelle/2015/12/krawalle-in-der-suedvorstadt-connewitz-aus-sicht-der-polizei-konnte-das-gutgehen-teil-2-videos-119434
- http://www.l‑iz.de/leben/gesellschaft/2015/12/live-aus-connewitzsuedvorstadt-konnte-das-gutgehen-119174