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Moderne Kunst

Moderne Kunst

3. August 2015 Comments 0 Comment
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Banau­se ist ein schö­nes, lei­der nicht mehr oft gebrauch­tes Wort. Man kann Kunst­ba­nau­se sein oder auch all­ge­mei­ner ein Kul­tur­ba­nau­se. Obwohl ich mich bis­her für durch­aus kunst­in­ter­es­siert hielt, erwisch­te mich das Kunst­ba­nau­sen­tum hin­ter­rücks und ohne Vor­war­nung im Ser­ral­ves-Muse­um für Zeit­ge­nös­si­sche Kunst in Por­to. Mein Rei­se­füh­rer meint, bei die­sem Muse­um wür­de es sich um ein "Kul­tur­zen­trum von inter­na­tio­na­lem For­mat" han­deln, also mach­te ich mich auf den Weg. Ent­lang der trost­los lang­wei­li­gen Ave­ni­da da Boavis­ta (die besag­ter Rei­se­füh­rer für mon­dän hält) lau­fe ich mir bei brü­ten­der Hit­ze die Hacken wund. Dies ist durch­aus so gewollt, denn ich habe den gan­zen Tag Zeit und zu Fuß nimmt man sei­ne Umge­bung inten­si­ver wahr. Das Muse­ums­ge­bäu­de wur­de Ende der Neun­zi­ger Jah­re in den weit­läu­fi­gen Land­schafts­park der Casa Ser­ral­ves implan­tiert. Der Park und die Casa im Art-déco-Stil waren vor gut 100 Jah­ren als Som­mer­re­si­denz im Auf­trag eines rei­chen Por­tu­en­ser Tex­til­fa­bri­kan­ten errich­tet wor­den und sind bestimmt sehens­wert. Lei­der — und das ist die ers­te Ent­täu­schung — sind bei­de an die­sem Tag auf­grund der Vor­be­rei­tung einer öffent­li­chen Ver­an­stal­tung nicht zugäng­lich. Also wid­me ich mich dem Muse­um, das ein Werk des Star­ar­chi­tek­ten Álva­ro Siza Viei­ra ist und schlap­pe 27 Mil­lio­nen Euro gekos­tet hat. Der Bau­stil ist mini­ma­lis­tisch, aber trotz einer Umrun­dung blei­ben in mei­nem Gedächt­nis nur ein paar wei­ße Mau­ern, die auch gut zu einer Kli­nik pas­sen könnten. 

Bei Stif­tun­gen, die das Geld mit vol­len Hän­den aus dem Fens­ter schmei­ßen, fällt mir die hei­mi­sche Leuch­ten­burg wie­der ein. Offen­bar nei­gen sol­che Insti­tu­tio­nen dazu, einen gewis­sen Grö­ßen­wahn zu ent­wi­ckeln. Der Ein­tritts­preis ist mit 8,50 Euro nicht hoch, aber für por­tu­gie­si­sche Ver­hält­nis­se über­durch­schnitt­lich. ((Ein­tritts­prei­se für Muse­en in Por­to belau­fen sich auf 3 — 4 Euro, Kin­der und Jugend­li­che haben frei­en Ein­tritt. Man­che Muse­en, wie etwa das Cen­tro Por­tu­guês de Foto­gra­fia bie­ten auch frei­en Ein­tritt an.)) Bei so einer teu­ren Schatz­kis­te erwar­tet man auch einen ent­spre­chend spek­ta­ku­lä­ren Schatz. Die ers­te Hal­le des Muse­ums emp­fängt mich mit einer Grup­pe von elek­tri­schen Kin­der­be­ru­hi­gungs­ma­schi­nen aus Plas­tik, die alle­samt vor sich hin wip­pen und schau­keln. Sie sind mit aller­hand Klim­bim ver­klei­det, was sie ver­mut­lich aus einem japa­ni­schen Waren­haus­ar­ti­kel in ein moder­nes Kunst­werk ver­wan­delt. Rat­los ste­he ich eine Wei­le davor, ver­su­che die Inten­ti­on des Künst­lers zu ver­ste­hen und gebe es dann auf. Es fol­gen wei­te­re Expo­na­te "von inter­na­tio­na­lem For­mat", die in mei­nem — durch­aus emp­fäng­li­chen — Gemüt kei­ner­lei Emo­tio­nen her­vor­ru­fen. Eine Grup­pe von Grün­pflan­zen, deren Zwei­ge sich beim Vor­bei­ge­hen leicht bewe­gen. Schnell ent­deckt man, dass dies durch Bewe­gungs­sen­so­ren und klei­ne Elek­tro­mo­to­ren an der Decke bewerk­stel­ligt wird, an denen die Zwei­ge mit Nylon­schnur fest­ge­bun­den sind. Wie ori­gi­nell. Es geht wei­ter mit ein paar Meter durch­sich­ti­ger Kunst­stoff­fo­lie, die wel­len­för­mig auf­ge­fal­tet an der Wand klebt. Vor lau­ter Ver­blüf­fung über die­se Ansamm­lung von bedeu­ten­den Wer­ken der moder­nen Kunst, die eher einem Eltern-Bas­tel­nach­mit­tag aus einem ört­li­chen Kin­der­gar­ten zu ent­stam­men schei­nen, ver­ges­se ich sogar zu fotografieren.

An der Wand eine far­bi­ge Plat­te, dar­über eine klei­ne Pal­me, die von einem Mini-Ven­ti­la­tor ange­bla­sen wird. In einer Glas­vi­tri­ne eine Auf­be­wah­rungs­box für Kon­takt­lin­sen neben einem Fläs­chen für Kon­takt­lin­sen­flüs­sig­keit. Fer­tig ist das Kunst­werk. Nicht aus­zu­den­ken, wenn ich jetzt die­se Vitri­ne öff­nen und das Fläs­chen ver­rü­cken wür­de. Ist das jetzt Sati­re oder Ernst, Pop-Art, medi­ta­ti­ves Sehen von Gegen­stän­den des all­täg­li­chen Gebrauchs oder ein­fach nur blan­ker Bull­shit? Ich fur­che ein wenig mei­ne Stirn, der Wider­hall in mei­nem bemüh­ten Geist ist gleich Null. Null oder Nichts ist auch der Inhalt eines Kunst­werks aus der Serie Inertga­se eines bestimmt wahn­sin­nig bekann­ten und geschätz­ten Künst­lers. Es besteht aus einem wei­ßen Kar­ton in Pla­kat­grö­ße. Dar­auf ist nichts zu sehen, kein Par­ti­kel Far­be, ein­fach nur leer. Nun ja, das ist zumin­dest irgend­wie logisch, wenn es um die Dar­stel­lung eines Gases geht. Das ist ja schließ­lich auch unsichtbar.

Vor mir unter Glas end­lich ein ech­ter, ori­gi­na­ler Joseph Beuys. Das Werk ist ein fla­ches Holz­käst­chen in etwa DIN-A4-Grö­ße ohne Deckel und trägt den Namen Intui­ti­on. Angeb­lich hat der Künst­ler das Käst­chen innen ein­falls­reich mit dem Wort Intui­ti­on und zwei Lini­en beschrif­tet, aber in die­sem Moment ent­geht mir die­ses sicher wich­ti­ge Detail. Man steht nicht alle Tage vor einem ein­zig­ar­ti­gen Werk des Meis­ters der moder­nen Kunst, auch wenn es wie auf dem Sonn­tag­vor­mit­tag-Floh­markt erstan­den aus­sieht. Im nach­hin­ein stel­le ich mit Hil­fe von Goog­le fest, dass es mit der Ein­zig­ar­tig­keit auch nicht weit her ist. Beuys hat die­se Din­ger in einer Auf­la­ge von 12000 Stück her­ge­stellt und für je 8 Euro ver­scher­belt. Auf Auk­tio­nen zah­len Kunst­lieb­ha­ber heu­te trotz­dem schon­mal zwi­schen 600 und 800 Euro dafür. Die Käst­chen wur­den zuerst gena­gelt, spä­ter nur noch getackert, ging wahr­schein­lich schnel­ler. Nageln fürs eige­ne Kon­to. Das nen­ne ich aller­dings wirk­lich Intui­ti­on. Da muss man erst­mal drauf kommen.

Ermü­dend geht es wei­ter mit einer Ansamm­lung von Din­gen, deren angeb­lich beein­dru­cken­de Ästhe­tik ich nicht ver­ste­he. Viel­leicht ist es nur kon­se­quent, dass der Besu­cher des Muse­ums die gan­ze Zeit von Lärm und Getö­se umge­ben ist. Eine ohren­be­täu­ben­de Mix­tur aus Audio­col­la­gen, ver­zerr­ten Klän­gen, Zwit­schern und merk­wür­dig düs­te­ren Schwin­gun­gen. Ohne die­ses zusätz­li­che Über­stül­pen von der­art anstren­gen­den Sin­nes­rei­zun­gen wür­den die Expo­na­te ver­mut­lich noch lee­rer und sinn­lo­ser wir­ken. Mir kommt eine Mut­ter mit einem Klein­kind im Wagen ent­ge­gen und ich fra­ge mich unwill­kür­lich, wel­che Trau­ma­ta die­ses arme Kind durch die Kako­pho­nie der Klän­ge gera­de erlei­det. Neben den Tönen gibt es auch noch ver­schie­de­ne Video­in­stal­la­tio­nen, meist wir­re und/oder ver­frem­de­te Inein­an­der­blen­dun­gen von Film­schnip­seln. Eine die­ser Dar­bie­tun­gen ist extra in einem dunk­len Raum unter­ge­bracht, vor dem Zugang der Hin­weis, dass Inhal­te des Wer­kes den Besu­cher scho­ckie­ren könn­ten. Ich ste­he, schaue und gebe es nach 10 min auf, irgend­et­was zu ent­de­cken, das mich aus dem Gleich­ge­wicht brin­gen könn­te. Alles ist ein­fach nur herz­zer­rei­ßend langweilig.

Na klar, ich habe natür­lich kei­ne Ahnung von moder­ner Kunst. Statt­des­sen sin­nie­re ich dar­über nach, ob nicht 27 Mil­lio­nen in einer Stadt, die hart am tota­len Ver­fall vor­bei­ge­schlit­tert ist und wo man die Armut der Bewoh­ner an jeder Ecke vor Augen geführt bekommt, nicht anders bes­ser ange­legt gewe­sen wären. Um ein biss­chen Plun­der von krea­ti­ven Frei­zeit-Bast­lern auf­zu­be­wah­ren, hät­te doch auch eine Hal­le in einem Gewer­be­ge­biet gereicht. Dort könn­te sich dann die Kunst­schi­cke­ria mit ihren Aus­stel­lungs­ka­ta­lo­gen in den Hän­den ver­sam­meln, um geist­reich über die geni­al mini­ma­lis­ti­sche Aus­füh­rung des Well­blech­dachs zu diskutieren.

Ich über­le­ge außer­dem, dass man in 500 Jah­ren mit sehr gro­ßer Wahr­schein­lich­keit immer noch still und ergrif­fen vor einem van Gogh, Klimt, Monet, Böck­lin, Picas­so, Renoir, Cezan­ne, Munch, Lie­ber­mann und vie­len wei­te­ren bedeut­sa­men Wer­ken ste­hen wird. Vor einer Glas­vi­tri­ne mit Kon­takt­lin­sen-Zube­hör dage­gen wohl kaum. Und selbst wenn wir jetzt mal ganz tap­fer sind und so posi­tiv wie mög­lich den­ken: kann ja sein, dass die­se soge­nann­te moder­ne Kunst iro­ni­sie­ren, dekon­stru­ie­ren, ent­mys­ti­fi­zie­ren, pro­vo­zie­ren oder baga­tel­li­sie­ren will. Man ver­lässt ihren Stand­ort und ver­gisst sie fast im sel­ben Augenblick.

Ich been­de mei­nen Muse­ums­be­such und gehe doch noch ein Stück in den zugäng­li­chen Teil des Parks hin­ein. Vor einer Lich­tung sit­ze ich auf einer Bank in der Son­ne und schaue drei Rin­dern beim Gra­sen zu. So eine länd­li­che Idyl­le ist doch etwas Ein­fa­ches und Ver­ständ­li­ches. Spä­ter lese ich, dass die Rin­der auch eine Kunst­in­stal­la­ti­on und Teil der Aus­stel­lung sind. Der Titel ist "For a new city".

Titel­bild:
by Leon aus Tai­peh (Quel­le) / Lizenz: Crea­ti­ve Com­mons Attri­bu­ti­on 2.0 Generic


Gesellschaft
Porto, moderne Kunst, Museum

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