Antifa in die Kartoffelernte
"Antifa auf dem Land ist undogmatisch." ((http://landarbeit.blogsport.de/))
In meiner Heimatstadt sind interessante Plakate aufgetaucht. Die Antifa macht mobil. Sie möchte ihren "komfortablen Kiez" verlassen und "die Käffer fluten". Das Aufbranden der Revolution in der verabscheuungswürdigen Provinz steht unter dem Slogan Antifa bleibt Landarbeit. Zu viel Provinz möchte man sich dabei aber nicht zumuten, denn für die hehren Ziele demonstriert man in Gera, einer Stadt mit 114000 Einwohnern. Ausgangspunkt ist eine Art ideologischer Neid auf die Rechte, denn deren "Akteur*innen ziehen bewusst in die Provinz, schaffen und stärken Strukturen und können den öffentlichen Raum, das Klima eines Provinznestes entscheidend beeinflussen, oft sogar bestimmen." ((alle Zitate von http://landarbeit.blogsport.de)) Damit man selbst das "Klima eines Provinznestes" beeinflusst, muss man unbedingt "Deutungshoheiten gewinnen".
Wenn es um den "Kampf ums Ganze" geht, kommen Menschen nur in zwei Ausprägungen vor, als Aktivist*innen und linke "Agierende" auf der einen Seite und Neonazis auf der anderen Seite. Da die linksradikale Szene auf dem Dorf faktisch nicht vorhanden ist, sind alle anderen, die dort übrig bleiben, selbstredend Nazis. Sollte jemand noch Zweifel an der pseudointellektuellen Verachtung haben, die über die Landbevölkerung ausgekippt wird, so überzeugt das Foto auf dem Plakat schnell vom Gegenteil. Es zeigt ein paar Schweine, die sich um einen dreckigen Trog scharen. Achja, das Unterbewusstsein ist doch eine feine Sache und Bilder sprechen nicht selten eine deutlichere Sprache als alle Manifeste zusammen. Es ist ja nicht so, dass die Antifa nicht wandlungsfähig wäre. Als man AfD-Höcke in seinem "Scheiß Drecksnest" Bornhagen einen Besuch abstattete, wollte man noch "Dorfgemeinschaft zerstören" und die "Landflucht fördern". ((https://twitter.com/cebu_11/status/728257531387232256)) Jetzt möchte man immerhin "Strukturen stärken", wobei ... bei näherem Hinsehen ... klar wird, dass hier keineswegs die ländliche Infrastruktur und das Zusammenleben der Landbewohner gemeint sind, sondern die Netzwerke ortsansässiger Linksradikaler. Der Kontakt zur Bevölkerung auf dem Land beschränkt sich auf Provokation, Demonstration und sogenannte "Strafexpeditionen". Das schafft natürlich viel Vertrauen und Sympathie und erleichtert die Überzeugungsarbeit.
In grauen Urzeiten war die deutsche Linke mal die politische Vertretung der arbeitenden und nicht selten mittellosen Bevölkerung. Man kämpfte gegen deren Ausbeutung und kapitalistische Verwertung zugunsten des Profits. Man trat für eine grundlegende gesellschaftliche Umverteilung ein und prangerte die Schere zwischen Arm und Reich an. Ganz im Sinne von Marx ging es darum, diejenigen, die — ohne die Produktionsmittel zu besitzen — den gesellschaftlichen Reichtum erarbeiten, auch an diesem teilhaben zu lassen. Das war ein sympathisches und löbliches Unterfangen und ein wichtiges politisches Anliegen obendrein. Es scheint so, dass von dieser usprünglichen Linken heutzutage nur noch ein paar arrogante Schnösel übriggeblieben sind, deren infantiles Weltbild von Muttis Portemonnaie und Vater Staats Stütze geprägt wurde, die nie einen Handschlag harte Arbeit leisten mussten und deren einziger Protest denjenigen gilt, die noch in halbwegs funktionierenden Gemeinschaften leben und deren Wert für ihr eigenes Leben anerkennen. Ihr gehätscheltes Feindbild ist ihre einzige Daseinsberechtigung. Ihr heldenhafter Kampf täuscht darüber hinweg, dass sie der Gesellschaft, für deren moralisches Wohl und Wehe sie angeblich kämpfen, nichts zu geben haben. Neben ihrer Nutzlosigkeit kultivieren sie vor allem eine augenscheinliche Feigheit. Diese äußert sich in brennenden Autos von ambulanten Pflegediensten, Pflastersteinen von Dächern auf Polizistenköpfe, Brandanschlägen auf Bahngleise und nicht zuletzt in der tapferen Verweigerung, mit den Leuten, um die es ihnen angeblich geht, auch nur ein einziges Wort zu wechseln. Deren Nöte sind, wie man kürzlich lesen konnte, ja nur eingebildet.
Es gab mal eine "Diktatur des Proletariats", die für die Hybris jugendlicher Dumpfbacken ein sinnvolles Heilmittel parat hatte. Schüler und Studenten karrte man dort regelmässig aufs Land und liess sie dort in der Obst- oder Kartoffelernte schuften. Wer schon einmal ein paar Tage einer Erntemaschine hinterher gestolpert ist, um die wertvollen Restkartoffeln aus dem halbgefrorenen Boden zu klauben, wird sich zumindest über diejenigen, die uns im Schweiße ihres Angesichts unsere Nahrungsmittel produzieren, nicht mehr abfällig äußern. Ganz im Gegenteil. Wobei, auch das Kleben von Plakaten und das Ausdenken von möglichst verschwurbelt-ideologischem Dünnschiss kann schweißtreibend sein. Allerdings sollte man der selbsternannten Volkstodfront bei Gelegenheit mal erklären, dass das mit Arbeit genauso wenig zu tun hat wie Schweine-Hüten mit der heutigen Landarbeit. Vielleicht hilft's ja.
Daher mein Vorschlag: Antifa in die Kartoffelernte!
P.S.: Wahlergebnis Landtagswahl Mecklenburg-Vorpommern für die Linke MINUS 5,2 % im Vergleich zur letzten Wahl vor fünf Jahren
Bildquellen:
- Titelbild (Fotografie von Alupus, Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Kartoffelernte_V.jpg)
- Kartoffelernte 1957 (Deutsches Bundesarchiv, Fotografie von Rolf Unterberg, Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_B_145_Bild-F004772-0005,_Wesseling-Keldenich,_Kartoffelernte.jpg)