Warum ich keine deutschen Filme mag
Heute ist es mal an der Zeit, mich über die deutsche Filmindustrie auszulassen. Eigentlich schwirren mir die Gedanken dazu schon seit längerem durch den Kopf. Nachdem ich mir allerdings vor kurzem an einem Abend mit Freunden den Film "Jonas" von und mit Christian Ulmen ansehen mus... ähm angesehen habe, ist nun der Moment gekommen, das Gebräu aufs virtuelle Papier meines SchreibBlogs zu kippen und ordentlich zu verteilen. Der Jonas-Film soll eine Art Sozialexperiment sein. Den auf einen 18-jährigen Schüler getrimmten 35-jährigen Ulmen schleust man als angeblichen Bildungs-Mehrfach-Versager in eine Gesamtschulklasse in Dessau ein und begleitet ihn während seines 6‑wöchigen Aufenthalts hautnah mit der Kamera. Das Ganze ist ein bisschen witzig und ein bisschen interessant und erinnert einen ein bisschen an die eigene Schulzeit. Wir diskutieren danach, ob das Ganze tatsächlich echt und authentisch oder gestellt war. Eine überflüssige Diskussion. Es handelt sich um einen deutschen Film und ich lese später im Internet, dass es natürlich eine Fake-Doku ist und die Schüler und Lehrer eingeweiht waren. Wie immer, wenn jemand etwas verspricht oder vorspielt, was sich im nachhinein als falsch herausstellt, fühlt man sich auf den Arm genommen — aber nur ein bisschen.
Für jemanden, der dem American Way of Life eher kritisch gegenüber steht, mag sich das komisch anhören, aber ich schaue mittlerweile lieber staffelweise amerikanische Serien statt einen deutschen Film. Warum ist das so? Sind die deutschen Stars unter den Schauspielern so schlecht? Nö, eigentlich nicht. Das sieht man insbesondere dann, wenn sie nicht in deutschen Produktionen mitspielen. Franka Potente in der "Bourne-Trilogie" oder in "Blow" finde sicher nicht nur ich gut, ihre späteren Filme (z.B. die Antikriegsroman-Verfilmung "Die Brücke" oder als Nazijägerin in "Die Hetzjagd") dagegen sind mir völlig gleichgültig. Daniel Brühl macht hin und wieder auch so eine gute Figur — in ausländischen Produktionen. ((Allerdings hat er eine spanische Mutter und ist in Barcelona geboren.)) Wer wie ich schon ein bisschen älter ist, hat in den 70ern und 80ern vielleicht auch für Nastassja Kinski geschwärmt, die mit Regiegrößen wie Roman Polanski, Francis Ford Coppola oder Wim Wenders zusammengearbeitet hat. Anderen Filmstars sieht oder merkt man gar nicht an, dass sie eigentlich aus Deutschland stammen, Diane Kruger ("Troja", "Inglourious Basterds") ist ein Beispiel dafür, genauso wie Sandra Bullock, die eigentlich Sandra Anette Bullock heißt und die ersten 12 Jahre ihres Lebens in Nürnberg aufwuchs. Ganz zu schweigen von Leonardo DiCaprio, dessen ganze Sippe aus dem Ruhrpott stammt. Die sich ständig wiederholenden Gesichter des deutschen Fernsehfilms oder gar deutscher Serien dagegen kenne ich nicht, da ich keine Glotze habe und nur ganz selten mal irgendwo fernsehe. Stars wie Moritz Bleibtreu oder Till Schweiger finde ich eher peinlich, Martina Gedeck oder Iris Berben wiederum ganz gut, aber mehr fällt mir dazu nicht ein.
Nein, es liegt wohl eher an der ständig präsenten moralischen Keule, die den deutschen Film in meinen Augen so stark diskreditiert. Die Stoffe wirken immer wie aus einem Lehrbuch für Filmstudenten zusammenkonstruiert, ideologisch verbrämt, politisch korrekt, mit einer Botschaft versehen, die nicht subtil daherkommt, sondern einem regelrecht um die Ohren gehauen wird. Vielleicht ist es kein Zufall, dass die Geschichte der deutschen Filmförderung 1917 mit der Gründung der UFA begann, die durch Industrie und Banken finanziert, deutsche Propaganda-Filme produzieren sollte. Heute ist die staatlicherseits mit ca. 200 Mio. Euro völlig unterfinanzierte deutsche Filmförderung institutionell zersplittert, über alle Bundesländer verteilt und agiert mehr im Gießkannenprinzip als nach Talent. Die Frage, ob ein Film den Nerv des Publikums trifft und wenigstens seine eigenen Produktionskosten wieder einspielen könnte, ist dabei eher nebensächlich. Wenn man sich klarmacht, dass gleichzeitig über die GEZ (jetzt "Beitragsservice") der öffentlich-rechtliche Rundfunk 8 Mrd. pro Jahr einstreicht, begreift man schon ziemlich genau die allgemeine Schieflage im deutschen Kulturbetrieb. Wer in Deutschland als Regisseur einen Film machen möchte, ist auf den Segen und das Wohlwollen staatlicher Förderungsanstalten angewiesen. Es gehört nicht viel Fantasie dazu, sich vorzustellen, mit welchen Themen man dort Zuspruch findet. Ganz vorn das Dritte Reich, irgendwas mit Nazis und/oder Juden, Konzentrationslager, Krieg, Minderheiten, Diskriminierung, Migranten, Problemmilieus oder menschliche Randexistenzen, Frauenthemen, hier und da auch mal was Historisches, eine Komödie oder ein Krimi. Wer geht schon ins Kino, um sich solchen Mist wie "Simon sagt auf Wiedersehen zu seiner Vorhaut" anzusehen? Ja, und natürlich Hitler in allen Variationen und die Helden des Widerstands (Geschwister Scholl, Stauffenberg) und der halbwegs erfolgreiche deutsche Nonsens (Otto, KeinOhrHasen u.ä.) und die DDR hoch und runter ("Das Leben der Anderen", "Sonnenallee", "Goodbye Lenin" usw.). Nicht zu vergessen die 68iger und die besonders wichtigen Probleme von Linksintellektuellen (Dutschke, RAF, Drogen, "Die fetten Jahre sind vorbei", "Die innere Sicherheit", "Die bleierne Zeit" usw.). Wie bieder, langweilig und dröge das alles daherkommt. Ungefähr so langweilig wie der Ethik-Unterricht in der Dessauer Schule in "Jonas"!
Wenn ich etwas über solche Themen wissen will, gehe ich nicht ins Kino, sondern schaue mir ein paar Dokus auf Youtube an oder lese die entsprechenden Artikel dazu auf Wikipedia. Ich gehöre zu den Verfechtern der These, dass politische Kunst im engeren Sinne nicht als Kunst, sondern eher als Agitation zu betrachten ist. Der Konsument steht dabei nicht im Fokus, vielmehr gibt es nur die "richtigen" Gedanken des Filmemachers, der dafür eine Öffentlichkeit sucht. Wahrheit ist nicht relativ, sondern steht von vornherein schon fest. Es geht nur noch darum, sie so geschickt wie möglich, in diesem Falle filmkünstlerisch, zu verpacken. Das Ganze erinnert mich an meinen Deutschunterricht zu DDR-Zeiten. Man bekam immer ganz genau vermittelt, wie man denn ein bestimmtes Buch oder ein Gedicht zu lesen und zu interpretieren habe.
Was zeichnet im Gegensatz dazu amerikanische Serien wie "Breaking Bad", "True Detective", "Fargo" oder "Mad Men" aus? Sie wollen in erster Linie unterhalten und das möglichst anspruchsvoll. Sie vermitteln keine Wahrheiten oder Ideologien, die vorher schon feststehen, sondern bilden die kleinen und großen Katastrophen oder Skurrilitäten des Lebens ab, ohne ihnen von vornherein eine Wertung zuzuordnen. Sie geben dem süchtigen Konsumenten die Gelegenheit, sich jede Menge eigene Gedanken dazu zu machen, sich mit verschiedenen Figuren zu identifizieren, Abenteuer mit zu erleben, in fremde Welten einzutauchen, auf eine Reise zu gehen, Emotionen zu entwickeln und auf das eigene Leben zu reflektieren. Man muss keinen Hitler-Film drehen, um Macht, Menschenverführung und Verbrechen zu thematisieren. Wer "House of Cards" oder "Game of Thrones" oder "The Wire" sieht, bekommt die Auseinandersetzung damit einfach so mitgeliefert und unterhält sich dabei auch noch köstlich. Sie sind reich an Details, Geschichten, Wendungen und ebenso reich an Spannung. Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals einen deutschen Film gesehen zu haben, auf den das im gleichen Maße zutrifft. Wenn ich mir "Better Call Saul" ansehe (was ich zur Zeit mit Vorliebe tue), dann habe ich ein Produkt, das auf wundersame und kongeniale Weise Sozialdrama, Komödie, Gangsterfilm und Entwicklungsroman vereinigt. Ich weiß dabei nicht schon vorher, was mich erwartet und es steht keineswegs fest, wer oder was hier gut und was böse ist. Genau DAS ist Kunst. Wohingegen man in deutschen Produktionen immer das Gefühl hat, gerade eine Bachelor-Arbeit von einer Filmhochschule vorgeführt zu bekommen. Leute, lasst doch mal diesen ganzen Ballast los, schiebt ihn beiseite und lernt wieder zu ERZÄHLEN! Entlasst die ganzen Konzepte und Botschaften aus euren Köpfen und webt wieder einen richtigen Stoff — schillernd, spannend, widersprüchlich, komplex, vielschichtig, erotisch, tiefgründig!
Gibt es in letzter Zeit einen deutschen Film, der mir richtig gut gefallen hat? Ja, durchaus — "Feuchtgebiete" zum Beispiel. Der war anders, frisch, frech, provozierend, politisch inkorrekt, ungewöhnlich — eine gelungene Umsetzung des Buches von Charlotte Roche. Und wurde in nicht wenigen deutschen Medien verrissen.
(Anm.: Lieber deutscher Filmfreund, mir ist bewusst, dass dies nur eine äußerst einseitige und subjektive Darstellung ist. Der Beitrag erhebt keinerlei Anspruch darauf, wie "der deutsche Film" wirklich ist oder zu sein hat. Und da ich ganz selten deutsche Filme sehe, kann ich auch nicht mehr, als damit mein Vorurteil bestätigen. 😉
Titelfoto: medien-gbr — https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Filmproduktion.jpg (This file is licensed under the Creative CommonsAttribution-Share Alike 3.0 Unported license)
3 thoughts on “Warum ich keine deutschen Filme mag”
Das sehe ich genauso. Ich möchte nach Feierabend entspannen und unterhalten und nicht belehrt werden.
Spannende und schöne Umsetzungen wie Elementarteilchen, Das Experiment oder sogar Barfuss (ja, ich fand den gut) habe ich in letzter Zeit eher selten sehen dürfen.
P.S.: Warum Till seine untalentierte Tochter Emma in jedem Film unterbringen muss ist mir auch ein Rätsel.
Boah ich küsse deine Augen. Grad nach „warum hasse ich deutsche Filme“ gegoogelt um Gleichgesinnte evtl zu lesen dann sah ich diese krassen Worte. Einfach aus dem Herzen gesprochen. So klug und für vielen aus dem Herzen gesprochen denke ich mal. ??
Auf den Punkt gebracht!
Schade um den deutschen Film, aber jeder Mensch muss sich ja im heutigen Deutschland davor hüten — auch nur wegen einer Kleinigkeit — als 'rechts' abgestempelt' und als überflüssig erklärt zu werden. Auch ein Filmemacher.
(Kommentar aus Dänemark)