
Liebe Grüne in Jena ...
... Ihr macht es den Bürgern dieser Stadt wirklich nicht leicht, Euch gern zu haben. Und das ist echt noch wohlwollend ausgedrückt. Aber das — erst jetzt von mir entdeckte — Statement Eurer Stadtratsfraktion zu den Baumfällungen am Johannisplatz haut jedem Faß den Boden aus. Was wollt Ihr uns allen damit sagen? Ist das jetzt Reue, Wiedergutmachung, ein Zeichen von Uneinigkeit in Euren Reihen, ein Faschingsscherz oder einfach nur grenzenlose Heuchelei und Scheinheiligkeit?
Im Wahlkampf habt Ihr mit einem Plakat geworben, auf dem "Jeder Baum ist ein Zuhause" stand. Das war schön zu lesen, hatte aber offenbar keinerlei Konsequenzen. Bei den vorherigen Planungen für ein Einkaufscenter auf dem Eichplatz waren euch die 49 Bäume, die dafür hätten gefällt werden müssen, keine Rede wert. Was die seit Jahren von vielen Bürgern als ärgerlich empfundene Praxis von KSJ angeht, große Stadtbäume durch komplette Kronenkappungen oder übertriebene Starkastverschnitte zu Tode zu "pflegen", so habe ich von Euch noch nie einen Einspruch gehört. Auch was sonstige Baumfällungen in Jena angeht, beispielsweise am Burgweg oder im Faulloch (vor der "Aufwertung"), sucht man den grünen Widerstand vergebens.
Ein grüner Ortsteilbürgermeister ließ sich mit anklagender Geste vor einem Baum medienwirksam fotografieren. Darunter war zu lesen, dass er sich mit der Fällung nicht abfinden will. Böse Zungen behaupten, dies hatte mehr mit der bevorstehenden Landtagswahl zu tun als mit einer drohenden Fällung. Tatsächlich hat er sich nicht nur damit abgefunden, er hat sogar DAFÜR gestimmt. Im Stadtentwicklungsausschuss und im Stadtrat jeweils für die geplante Bebauung und damit auch für die Fällung der Bäume. Bei allen Fragen, die den Johannisplatz angeht, haben die Grünen für das Bebauungskonzept der Stadt gestimmt und die Fällung von 6 großen Stadtbäumen in Kauf genommen, die im B‑Plan schon klar zu erkennen war. Nach Einschätzung der Baumschutzkommission waren drei Bäume als „unbedingt erhaltenswert” und die Linde südlich des Johannisplatzes als „prinzipiell erhaltenswert” eingestuft worden, weil sie „eine ausreichende Vitalität” aufweist. Das Gutachten forderte, „die möglichen Maßnahmen anzuzeigen, die einen sinnvollen Erhalt des Baumes ermöglichen.” Weil dieses Ergebnis nicht in die Bebauungspläne und die Vorstellungen des Stadtarchitekten passte, wurde ein zweites Mal durch ein externes Büro begutachtet und nun konnte auch die Linde gefällt werden. Wo wart Ihr da, liebe Grüne, um diesen Skandal anzuprangern? Ich habe nichts von Euch gehört, nur einen bärmelnden grünen Ortsteilbürgermeister im Stadtentwicklungsausschuss, der der Meinung war, dass die Bäume ja alle krank waren und gefällt werden mussten und dafür die Ersatzpflanzung von "nachhaltigen Bäumen" empfahl. Protest, Widerspruch, Gegenstimmen? Fehlanzeige.

Eine Stellungnahme Eurer Fraktion, die "den Umfang der Fällungen am Johannisplatz nicht mitträgt"? Darin heißt es, es hätte "eine Verwaltungsentscheidung zur Fällung" gegeben, "die wir nicht mittragen können." Nun frage ich mich ganz besorgt, welche Grünen es denn dann waren, die genau diese Entscheidung im Ausschuss und im Stadtrat mitgetragen haben? Waren das denn andere? Wurden denn über Nacht die grünen Stadträte ausgetauscht? Und dann diese bemerkenswerte Vehemenz: "Wir werden darauf bestehen, dass die neuen Bäume so groß wie möglich sind." Vielleicht hätte man vorher darauf bestehen sollen, dass die alten gar nicht erst hätten gefällt werden müssen!?
"Jetzt geht es darum, trotzdem den Platz erlebbar, grün und sinnlich zu gestalten." Trotzdem? Meint ihr trotz eurer Zustimmung zu einem Bebauungsplan, der genau diesen Platz eben gerade nicht "grün und sinnlich" gestaltet, sondern vereinheitlicht, begradigt und versiegelt? Der Platz WAR erlebbar, BEVOR die Verwaltung mit der Koalition im Rücken beschloss, ihn gänzlich umzukrempeln. Jetzt tut doch bitte nicht so, als wenn ihr da nicht mit dabei gewesen wäret.
"Der Johannisplatz und die Wagnergasse sind uns viel wert." Sicher ist nicht nur mir aufgefallen, dass man Euch, liebe Jenaer Grüne, besser nicht nach schön klingenden Sätzen, sondern mehr nach Eurem wirklichen Tun beurteilen sollte. Immerhin, für sechs große Stadtbäume bietet ihr den Jenaer Bürgern "Kübelbepflanzungen" und "Hochbeete" an. Wir sind stolz auf Euch!
4 thoughts on “Liebe Grüne in Jena ...”
@frank
Was sind für sie als sachkundiger Bürger im Stadtentwicklungsausschuss unabdingbare Grundsätze der Stadtentwicklung?
Was würden sie bei der Stadtentwicklung Jenas konkret besser machen?
Hallo Lara, wenn ich mal ganz viel Zeit habe, dann müsste ich darüber ein grundsätzliches Pamphlet schreiben, um diese sehr weitreichende Frage zu beantworten. 😉
Stichpunktartig wären das für mich folgende Grundsätze: Größtmögliche Bürgerbeteiligung für Betroffene bzw. für alle Bürger bei weitreichenden Vorhaben, Transparenz der Planung inkl. aller Gutachten, Unterlagen usw., Planung sehr nah an den wirklichen Bedürfnissen der Menschen (und nicht an übergeordneten Konzepten, ideologischen Vorstellungen, Formatio Jenensis, politischen Vorgaben), Beachtung von Natur- und Umweltschutz, Baumschutz, Schaffung grüner Strukturen oder Erhaltung derselben, möglichst objektive und externe Mediation bei widerstreitenden Interessen(gruppen), Vermeidung der Verschwendung von Steuergeldern, breitenwirksame Projekte (von denen möglichst viele Menschen etwas haben) vor Leuchtturmprojekten für einzelne Klientele möglichst bevorzugen...
Hallo Frank, danke für die ausführliche Antwort.
Zwei Frage noch dazu, was sind unabdingbare Grundsätze bzw. Schlüsselworte der Stadtentwicklung, was sind die Grundlage der Stadtentwicklung für sie??