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Gesellschaft am Rande des Abgrunds

Gesellschaft am Rande des Abgrunds

1. Dezember 2017 Comments 1 comment
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Vor nicht all­zu lan­ger Zeit pro­bier­te ich als Rad­fah­rer auf dem Heim­weg eine neue Rou­te aus. Der angeb­li­che Rad­weg, den ich benutz­te, ende­te im Nir­gend­wo und ich muss­te auf eine schma­le Wohn­ge­biets­stra­ße ein­schwen­ken. Lei­der war nicht zu erken­nen, dass ich nun ent­ge­gen einer Ein­bahn­stra­ße fuhr, aber die har­te Rea­li­tät belehr­te mich sofort eines Bes­se­ren. Ein PKW, der mir ent­ge­gen­kam, blo­ckier­te die enge Stra­ße und ich muss­te anhal­ten. Der Fah­rer öff­ne­te sein Fens­ter und ging mich sofort rüde an. 50 m hin­ter mir tauch­te plötz­lich ein Rent­ner auf, der mich aus die­ser Ent­fer­nung wie ein Irrer anschrie und belei­dig­te. Ich igno­rier­te ihn und erklär­te dem Fah­rer, dass ich die Ein­bahn­stra­ße nicht erken­nen konn­te, weil ich vom Rad­weg käme. Dann woll­te ich auf mein Rad stei­gen, um die Stra­ße zu ver­las­sen. Das Ergeb­nis war, dass ich fort­ge­setzt ange­hupt und fast umge­fah­ren wor­den wäre.

Die Leu­te lau­fen mitt­ler­wei­le wie scharf geschal­te­te Spreng­la­dun­gen durch die Gegend. Man braucht sie nur mit einer Nich­tig­keit in Schwin­gung zu ver­set­zen und sie gehen hoch wie eine Rake­te. Es ist auch offen­sicht­lich, dass es allen schwer fällt noch zuzu­hö­ren, was der Ande­re eigent­lich zu sagen hat. Im pri­va­ten, all­täg­li­chen, gesell­schaft­li­chen und poli­ti­schen Sin­ne haben sich die Men­schen aus der Mit­te — aus ihrer Mit­te — her­aus­be­wegt und neh­men jetzt Posi­tio­nen ein, die sie sich vor kur­zer Zeit noch kaum vor­stel­len konn­ten. Und der Staat gibt sich jede erdenk­li­che Mühe, das auf allen Ebe­nen zu befördern.

Noch ein Bei­spiel. Vor vie­len Jah­ren hat­ten mei­ne dama­li­ge Lebens­ge­fähr­tin und ich losen Kon­takt zu einer Stamm­tisch­run­de, in der beim Bier vor­ran­gig poli­ti­sche, des­öf­te­ren auch ver­schwö­rungs­theo­re­ti­sche The­men dis­ku­tiert wur­den. Durch eini­ge gra­vie­ren­de Ände­run­gen in mei­nen per­sön­li­chen Lebens­um­stän­den ver­lor ich den Kreis irgend­wann aus den Augen. Als ich kürz­lich einen alten Bekann­ten aus die­sen Zei­ten zufäl­lig auf der Stra­ße wie­der­traf, mach­te ich eine merk­wür­di­ge Ent­de­ckung. Der Mann hat­te sich deut­lich radi­ka­li­siert. Sei­ne Frau war ihm davon­ge­lau­fen. Er drück­te mir eine Visi­ten­kar­te mit der Adres­se eines Online-Por­tals in die Hand. Sei­nen ursprüng­li­chen Job hat­te er auf­ge­ge­ben. Ich sah mir im Inter­net die Sei­te inkl. Buch­shop an und stell­te fest, dass es sich um hau­fen­wei­se üblen Nazi­kram han­del­te, Ver­herr­li­chung des Drit­ten Reichs, Wehr­macht, Welt­krieg, Hit­ler und so wei­ter, ihr wisst schon. Es schau­der­te mich. Was hat­te die­sen eigent­lich doch nicht unsym­pa­thi­schen Mann dazu getrie­ben, auf ein­mal Posi­tio­nen am äußers­ten rech­ten Rand einzunehmen?

Wenn eine Gesell­schaft den Zusam­men­halt ver­liert, äußert sich das nicht nur auf der Ebe­ne der ganz gro­ßen Poli­tik, wo es auf ein­mal kaum noch mög­lich erscheint, eine funk­tio­nie­ren­de Regie­rung zu bil­den und auf­fäl­li­ge Ver­schie­bun­gen in den Wahl­er­geb­nis­sen den Kom­men­ta­to­ren den Schweiß auf die Stirn trei­ben. Es mani­fes­tiert sich auf jeder Ebe­ne, selbst im schein­bar pri­va­ten Win­kel klein­bür­ger­li­cher Exis­ten­zen. Je vehe­men­ter, man könn­te auch sagen ver­zwei­fel­ter, der poli­tisch-media­le Kom­plex Tole­ranz, Viel­falt und die offe­ne, bun­te und huma­nis­ti­sche Gesell­schaft beschwört, umso kla­rer wird, dass längst das pure Gegen­teil nicht nur die öffent­li­che Debat­te, son­dern auch das ganz nor­ma­le Leben beherrscht. Die ach­so Tole­ran­ten haben kein Pro­blem damit, Klein­wa­gen (ihrer Mit­bür­ger) anzu­zün­den, Poli­ti­ker (der AfD) zu ver­prü­geln, Poli­zis­ten (die das Demons­tra­ti­ons­recht schüt­zen) anzu­grei­fen, Stra­ßen­zü­ge (von nor­ma­len Leu­ten) zu ver­wüs­ten, Super­märk­te zu plün­dern. Unsäg­li­che Gewalt­de­lik­te erschüt­tern irgend­wel­che ver­schla­fe­nen Klein­städ­te, deren Namen frü­her nie­mand kann­te. Migran­ten­gangs und mafiö­se Fami­li­en­clans kon­trol­lie­ren gan­ze Vier­tel der Groß­städ­te. Schlä­ge­rei­en, Mes­ser­an­grif­fe, Raub­über­fäl­le, unzäh­li­ge Ver­ge­wal­ti­gun­gen, Mord fül­len die Spal­ten der Tages­zei­tun­gen. Men­schen wer­den vor ein­fah­ren­den Bah­nen auf die Glei­se gesto­ßen, Frau­en unver­mit­telt von hin­ten Trep­pen hin­un­ter­ge­tre­ten. Oder ins nächs­te Gebüsch gezerrt und ver­ge­wal­tigt. Als Frei­zeit­ver­gnü­gen pro­biert man aus, schla­fen­de Obdach­lo­se anzu­bren­nen. Ein­fach so. Da sind auch kei­ne kri­mi­nel­len Rand­exis­ten­zen mehr unter­wegs, son­dern hass­erfüll­te Tot­schlä­ger ohne jede Emo­ti­on und ohne jedes Gewis­sen. Gras­sie­ren­de Psy­cho­pa­tho­lo­gie. Da wird nicht nur ein Rent­ner­ehe­paar vorm eige­nen Haus über­fal­len und gezwun­gen Geld und Wert­ge­gen­stän­de her­aus­zu­ge­ben, nein, sie wer­den gefes­selt, der Mann getö­tet, das Haus ange­zün­det. Der Bür­ger­krieg hat längst begon­nen und vie­le tun immer noch so, als bräuch­ten sie nur weg­se­hen, damit der Schre­cken an ihnen selbst vorübergeht.

Der Staat, der für die Sicher­heit sei­ner Bür­ger sor­gen soll, han­delt mitt­ler­wei­le völ­lig irra­tio­nal. Gefähr­der, IS-Ter­ro­ris­ten, Dro­gen­händ­ler, Schwerst­kri­mi­nel­le lässt man an der lan­gen Lei­ne lau­fen, teil­wei­se gibt es Kon­tak­te zu den Geheim­diens­ten und zu V‑Leuten — beim NSU genau­so wie bei Isla­mis­ten. Selbst für erschre­cken­de Unta­ten gibt es nur Bewäh­rungs­stra­fen oder man lässt die Täter gleich wie­der lau­fen. Aber ein alter demen­ter Mann an einer Bus­hal­te­stel­le bekommt ein Buß­geld auf­ge­brummt, weil er angeb­lich dort nicht aus­ru­hen darf, einer 77-jäh­ri­gen Frau pfän­det man die klei­ne Ren­te, weil sie ihren GEZ-Zwangs­bei­trag nicht bezah­len kann, eine ande­re Rent­ne­rin muss in den Knast, weil sie aus Hun­ger gestoh­len hat. Statt zu fra­gen, war­um es sein muss, einem Men­schen auch noch das Aller­letz­te, näm­lich sein Trink­was­ser, zu neh­men und ihn dazu zu trei­ben, einen Lokal­po­li­ti­ker mit dem Mes­ser anzu­grei­fen, wird die­se sym­pto­ma­ti­sche Ver­zwei­fe­lungs­tat zum ideo­lo­gi­schen Hass­ver­bre­chen auf­ge­bauscht und man ver­an­stal­tet Lich­ter­ket­ten gegen den ver­meint­li­chen Nazi. Erst nimmt man jeman­dem alles und wenn er nichts mehr zu ver­lie­ren hat und durch­knallt, benutzt man sein Schick­sal zur Volks­er­zie­hung. Selbst der ein­fa­che gesun­de Men­schen­ver­stand funk­tio­niert nicht mehr. Es läuft alles völ­lig aus dem Ruder.

Der eige­nen Bevöl­ke­rung schlägt unge­zü­gel­ter Hass ent­ge­gen, von lin­ken Jour­na­lis­ten, von hoch­ran­gi­gen Par­tei­po­li­ti­kern, von Intel­lek­tu­el­len und aus Talk­show-Run­den. Man hasst die Ossis, man wünscht sich den Volks­tod für alle Kar­tof­feln. Jeder der den Mund auf­macht und etwas zu sagen wagt, was nicht in den Main­stream passt, ist ein Nazi und wird der Ver­ach­tung über­ant­wor­tet. Die sozia­len Netz­wer­ke schwap­pen über vor Wut, Hass und ver­ba­len Aus­fäl­len nach allen Rich­tun­gen. Rich­tet sich die Wut gegen Migran­ten und Aus­län­der, bist du ein Nazi und Ras­sist, dei­ne Bei­trä­ge wer­den zen­siert, gesperrt und gelöscht. Kommt die glei­che Wut und der glei­che Hass von der ande­ren Sei­te, von links oder von Isla­mis­ten, lässt man sie gewäh­ren. Du musst wie­der ler­nen eine Rol­le zu spie­len, um nicht zu den Bösen zu gehö­ren, wie in der DDR. Es ist wie­der wich­tig gewor­den zu über­le­gen, was man sagt. Nicht nur öffent­lich, son­dern auch Ver­wand­ten und Kol­le­gen gegen­über. Denun­zia­ti­on und Block­wart­ment­a­li­tät sind wie­der en vogue in Deutsch­land. Ein Zen­sur­ge­setz wird erlas­sen und schon zin­ken sich alle gegen­sei­tig an. Der Wahn­sinn greift in atem­be­rau­ben­der Geschwin­dig­keit um sich. Als Poli­zis­ten mit Hil­fe ihres Hun­des die sexu­el­le Atta­cke auf eine Frau durch einen Migran­ten unter­bin­den, zögern zwei ande­re anwe­sen­de Frau­en kei­ne Sekun­de, die Beam­ten anzu­zei­gen: wohl wegen Aus­län­der­feind­lich­keit und Dis­kri­mi­nie­rung. In einem im Inter­net ver­brei­te­ten Video sieht man ein paar jun­ge Aus­län­der auf einer Stra­ße auf einen äte­ren Mann zuge­hen. Sie spre­chen ihn an. Einer fragt was und lenkt ihn ab. Als der Mann irgend­wo­hin zeigt und weg­sieht, schlägt einer aus der Grup­pe unver­mit­telt und hart zu. Der alte Mann fällt ohn­mäch­tig in das Gebüsch am Stra­ßen­rand. Das Ver­bre­chen, die para­no­ide Gewalt sind längst kei­ne span­nen­de Unter­hal­tung im Fern­se­hen mehr. Es han­delt sich nicht mehr um Ein­zel­fäl­le. Ihre Zahl sprengt das Fas­sungs­ver­mö­gen und führt zu Abge­stumpft­heit und Gewöh­nung an etwas, an das man sich nie­mals gewöh­nen soll­te. Hin­ter der müh­sam auf­recht­erhal­te­nen Kulis­se ("ein Land, in dem wir gut und ger­ne leben") brei­tet sich schlei­chend das Ent­set­zen aus und ver­gif­tet das mensch­li­che Mit­ein­an­der. The Wal­king Dead.

Das Wort Het­ze, das in zwei ver­gan­ge­nen deut­schen Dik­ta­tu­ren infla­tio­när gebraucht wur­de, fei­ert heu­te wie­der fröh­li­che Urständ. Es gibt nur noch zwei rand­stän­di­ge Extrem­po­si­tio­nen, die sich gegen­sei­tig der Het­ze beschul­di­gen. Dazwi­schen ist nichts mehr. Im bes­ten Fall viel­leicht noch Schwei­gen und Weg­se­hen. Es ist klar, dass man auch den kleins­ten Angriff auf einen Poli­ti­ker (von der rich­ti­gen poli­ti­schen Sei­te) öffent­lich hart gei­ßeln, ver­ur­tei­len und bestra­fen muss. Denn das ver­ach­te­te Volk braucht nur einen mini­ma­len Anstoß, um nach Blut zu lech­zen und dann wür­de es rich­tig zur Sache gehen. Die irra­tio­na­len Fak­ten pas­sen in ein­fa­chen Köp­fen nicht mehr zusam­men. Ich emp­feh­le die Lek­tü­re der Geschich­te der Fran­zö­si­schen Revo­lu­ti­on. Der gesell­schaft­li­che Frie­de ist nicht mehr in Gefahr, er ist bereits Ver­gan­gen­heit. Der Riss, der sich so harsch durch die Gesell­schaft zieht, ver­schlingt täg­lich ein biss­chen mehr Rest­ver­nunft. Übrig bleibt ein Abgrund, von dem man nicht weiß, was aus ihm ent­stei­gen wird. Ich glau­be, nichts Gutes.

Titel­fo­to: Twit­ter (genaue Quel­le unbekannt)

 


Gesellschaft
Linke, Gewalt, Flüchtlinge, Ideologie, AfD, Migranten, Bürgerkrieg

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One thought on “Gesellschaft am Rande des Abgrunds”

  1. Gerald Schmidt sagt:
    3. Dezember 2017 um 10:47 Uhr

    Dei­ne Zeit ???? ???? Zusam­men­fas­sung ist kom­plett. Könn­te ich so nicht for­mu­lie­ren ! Aber was nun z. heu­ti­gen 1.Advent u. Ein­wei­hung d. Uni­ver­si­täts­kir­che St. Pau­lin nach d. Spren­gung 1968 in der Hel­den­stadt? Jena wird ohne Rück­sicht wei­ter zube­to­niert und vie­le Stadt­rats­köp­fe eben­so. Was tun sprach Zara­thus­tra als er die Bür­ger befragt hatte?
    L. G. 2017-12-03

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