Krieg ist sexy
Ich bin zornig. Zornig und traurig zugleich.
Meine Generation hat den letzten Weltkrieg nicht miterlebt. Ich danke meinem Schicksal dafür, dass das so ist. Aber ich habe oft genug die Erzählungen der Großeltern und Eltern gehört. Mein Großvater väterlicherseits irgendwo an der Ostfront, meine Großmutter mit 6 Kindern und der letzten Habe auf einem Handwagen auf dem Weg aus Breslau heraus. Der Großvater meiner Freundin, der Jahre nach Ende des Krieges als gebrochener Mann aus russischer Kriegsgefangenschaft zurückkehrte und dem man als erstes beide erfrorene Beine amputierte.
Und da ist auch noch Dresden. Die Mutter meiner langjährigen Lebensgefährtin erzählte oft davon. Obwohl die Bombennacht Jahrzehnte her war, brach sie beim Erzählen jedesmal wieder in Tränen aus. Ihre eigene Mutter kam in dieser Nacht um. Das brennende flüssige Phosphor auf den Straßen, das Geheul der Sirenen, die Explosionen, irgendwo ein Keller unter Ruinen, in den man sich verkroch. Tote auf den Straßen, Menschen, die es nicht mehr geschafft hatten.
2014. Eine junge Frau in erotisch anmutender Kämpferpose. Auf dem nackten Oberkörper ein Dank an "Bomber Harris", jenen britischen Kommandeur, der die Bomberstaffeln über Dresden befehligte. Ich lese in einem Blogbeitrag, dass ja die Dresdner selbst schuld waren. Sie hätten sich ja gegen die Hitlerdiktatur wehren können. Ich begreife nicht, ob das alles ernst gemeint ist, oder nur noch der blanke Irrsinn. Auch die Juden waren ja am Holocaust schuld. Sie hätten sich ja gegen ihre Deportation wehren können, nicht wahr? Die Parallelen in der Beklopptheit der "Argumente" scheinen niemandem aufzufallen. Dabei geht es überhaupt nicht darum, die Bombardierung Dresdens mit dem Holocaust in Verbindung zu bringen oder irgendwie zu "vergleichen". Es geht jedoch sehr wohl darum klarzumachen, dass hinter dieser Denkweise und der Trennung in wertes und unwertes Leben eine totalitäre, letztendlich faschistische Doktrin steckt. Und zwar ganz egal, von welcher politischen Seite die Aussagen stammen. Opfer bleiben Opfer und jedes einzelne davon ist eines zuviel. Das hat einfach etwas mit dem Respekt vor dem Leben von Menschen zu tun. Respekt, den man haben kann ... oder auch nicht.
Junge Frauen kokettieren mit dem Krieg, von dem sie keine Vorstellung, keine Ahnung, kein Fünkchen Verstehen haben. Mitglieder der Piratenpartei, die sich von dieser "antifaschistischen Aktion" nicht distanzieren wollen oder Distanzierungen von einzelnen Landesvorständen ablehnen. Wohlstandskinder, hinter Twitter-Accounts versteckt und nie um eine grosse Fresse verlegen, spielen die coolen Revolutionäre. Ach ja, die deutsche Zivilbevölkerung bestand ja nur aus Nazis. Nazis sind böse. Nur ein toter Nazi ist ein guter Nazi. Kurz blitzt die Paranoia hinter all der schönen Agitationsfassade auf und verschwindet wieder. Hinter Mediendiskussionen, ob denn nun 20000 Tote in einer Nacht als Kriegsverbrechen zu werten sind oder nicht. Ob es eine Rolle spielt, dass Dresden zu diesem Zeitpunkt keinerlei militärische Bedeutung hatte. Mir fallen die Namen Kühn ein und Kundus, Jugoslawien, Irak, Libyen, Syrien ... der ganze unablässig andauernde Wahnsinn, der ganze Völker und Nationen in den Abgrund zerrt. Das Leid von Millionen von Menschen, die Toten, Opfer von Verhältnissen, in die man einfach so hineingeboren wird und deren einziges Wesensmerkmal die Zerstörung ist.
Diese dummen kleinen Kinder mit ihrer dummen kleinen Selbstgerechtigkeit. Mit ihrem einfältigen Weltbild, in dem nach Disney-Manier immer alles feinsäuberlich in Gut und Böse getrennt ist. Und man selbstredend zur Seite der Guten gehört. Dieses Träumen von Gewalt und Blut. Das Spötteln über das Leid einfacher Menschen. Das Verhöhnen der Opfer. Im Namen von irgendwelchen ‑ismen. Ihr beruft euch auf die Geschichte, aber ihr habt aus der Geschichte nichts, rein gar nichts gelernt. Krieg hat noch nie irgendetwas anderes hervorgebracht außer Verlierer. Ihr habt auch etwas verloren. Eure Menschlichkeit und euer Mitgefühl, den gesunden Menschenverstand. Manifesten und politischen Bekenntnissen untergeordnet und verdrängt.
Zwei Frauen posieren in selbstgefälliger Eitelkeit. Und können doch nicht verbergen, wie armselig sie im Geiste sind. Ihr tut mir leid. Ich wünsche euch, dass ihr nie euren Kindern und Enkeln vom Krieg erzählen müsst.
8 thoughts on “Krieg ist sexy”
Die Piraten-Idee wird immer weiter "zerbombt".... bis nicht mehr übrig ist. Schade! 🙁
Wow vielen Dank! Du sprichst mir aus der Seele!
Als ehemaliges Piratenmitglied und ehemaliger Piratenwähler wünsche ich mir jetzt nichts mehr als diese Partei möglichst bald untergeht.
Vielleicht können die guten Leute die es ja in der Partei gab und gibt was Neues kreieren dann würde ich sie wieder unterstützen aber der Haufen ist IMHO nicht mehr zu retten.
Danke, im Namen meiner Eltern und Großeltern, die den Krieg miterlebt und daraus gelernt haben, mich zu einem Pazifisten zu erziehen.
Danke!
Meine Eltern haben die Krieg beide miterlebt und mein Vater (Jahrgang '23) musste ihn bis zum bitteren Ende mitmachen. Er wurde einfach eingezogen. Drücken, wehren oder desertieren wäre Selbstmord gewesen. Das was unsere Eltern und Großeltern erlebt haben, das wird unbewusst durch viele Generationen vererbt. Dieser Krieg prägt uns Nachgeborene immer noch sehr stark und obwohl wir es meist nicht merken leiden wir darunter.
Und dann kommen zwei kleine Mädchen mit simplen Vorstellungen und einer naiven aber extremistischen AntiFa-Ideologie und wundern sich über den Shitstorm, den sie selbst losgetreten haben. Wundern sich, daß sie von Leuten bedroht werden, die sie — unüberlegt und kurzsichtig — selbst provoziert haben. Denn sie haben nicht nur die Nazis getroffen — sondern auch eine ganze Menge Leute, die sie gar nicht treffen wollten.
Können sich angehende Politikerinnen so etwas leisten? Haben die beiden Mädchen (denn erwachsen sind sie leider wohl noch nicht), nicht über die weiterreichenden Konsequenzen ihres Tuns nachgedacht? Nicht mal darüber wie sich das auf auf die Partei auswirken könnte?
Die Aktion war selbstgefällig, arrogant, ignorant, inkompetent und dumm. Also genau das, was derzeit schon in den Parlamenten sitzt. Den Verstand gegen platte Ideologie und Effekthascherei eingetauscht. Und so was kandidiert und will "politische Verantwortung" übernehmen?
Jetzt könnten sie Verantwortung übernehmen und die Konsequenzen aus ihrem Handeln ziehen. Aber das tun sie nicht. Statt dessen kommen halbherzige Erklärungs-/Rechtfertigungsversuche die das Ganze noch schlimmer machen.
Danke. Auf den Punkt gebracht was ich wg des Bombergates und der arroganten Hochnäsigkeit seiner Verteidiger schon lange denke, aber nie so gut hätte in Worte fassen können.
Wenn es ein Phänomen wie das absolute Böse überhaupt gibt, dann besteht es darin, einen Menschen wie ein Ding zu behandeln. (John Brunner)
Es sind diese entsetzlich tüchtigen Leute, die mit ihren präzise funktionierenden Fischgehirnen Menschen auf Stückgut, auf Menschenmaterial, auf Zahlenkombinationen reduzieren, um sie in den Griff zu bekommen, um sie als numerische Größe in ihren Kalkülen handhaben zu können.